
Content-ID: 057|01 | Autor: Gerd | Stand: 1.7.2021
Testlauf zur Klimawende
Stichtag 1. Juli 2021
Es ist so weit: Mit der 2. Hälfte dieses Jahres werden erste Bestimmungen rechtswirksam, auf die die angestrebte Mobilitätswende zum Schutze des Klimas in Österreich aufbaut. Dabei setzt die Regierung auf Belohnungen für die Nutzung klimafreundlicher Verkehrsmittel und auf eine Verteuerung umweltschädlicher Technologien. Realistischerweise sind diese Maßnahmen nur die ersten Meter auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft unserer Mobilität. Deren Akzeptanz in der Bevölkerung – auch bei jenen, die gewohnheitsmäßig murren und querschießen – wird jedoch darüber entscheiden, wie einschneidend die nachfolgenden Schritte zur Klimarettung sein werden. Konkret werden per 1. Juli 2021 folgende Regelungen wirksam:
1) Palmöl soll künftig nicht mehr für die Produktion von BIO-Kraftstoffen herangezogen werden dürfen. Eigentlich war der bisherige Kompromiss schon vor seiner Abschaffung ein fauler. Immerhin steht Palmöl durch die unmäßige Rodung von Regenwäldern für Anbaugebiete und den Transport nach Mitteleuropa längst auf der schwarzen Liste des Klimaschutzes.
2) Große, schwere und verbrauchsintensive Neu-PKW werden künftig durch eine NoVA-Erhöhung empfindlich verteuert. Kleine und emissionsarme Fahrzeuge werden hingegen billiger. Ziel ist es, über das Geldbörsel die Nachfrage nach klimafreundlichen Autos zu steigern.
3) Die Verwendung von Öffis bzw. dem Fahrrad wird, so wie die private Nutzung von Dienstwagen, steuerlich entlastet. So werden z.B. das 1-2-3-Jahresticket oder die private Nutzung des Dienstfahrrades zum steuerfreien Gehaltsbestandteil für Dienstnehmer*innen.
Ursache-Wirkung in drei Szenarien
Es gibt, neben logischen, lösungsorientierten Ansätzen, um Probleme zu beseitigen, auch noch den österreichischen Weg. Hierzulande setzt man oft auf das Aussitzen von Bedrohungen. Es gilt dann der Grundsatz: „Schau ma mal, dann seh ma schon“. Der bringt jene Zeit, die es braucht, um Belastungen auf andere zu überwälzen, abzuwarten, ob’s wirklich so schlimm wird, und auch, um die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen.
Der fromme Wunsch an alle
Nehmen wir dazu eine Anleihe bei der Anreiz-Beitrag-Theorie aus der Welt der Arbeitsmotivation. Sie besagt (vereinfacht), dass Menschen durch die Aussicht auf Mehrwerte bereit sind, mehr zu leisten. Im Umkehrschluss müssten danach schwindende Anreize unerwünschte Verhaltensmuster weniger attraktiv machen. Im Rahmen der Verkehrswende sollte zwar die Aussicht, aktiv in den Kampf gegen den Klimawandel einzutreten, ohnehin die Grundmotivation jeder Mobilitätsentscheidung sein. Sie braucht jedoch Verstärkung! So kann die Reduktion der Kosten für CO2-arme Mobilität und deren Ausbau Positives bewirken. Demgegenüber kann ein Preisschub die Nutzung klimaschädigender Verkehrsmittel unattraktiv machen. Geht die Rechnung auf, müsste in den kommenden Jahren ein deutlicher Rückgang an verkehrsbedingten THG-Emissionen festzustellen sein. Zudem sollte der Absatz des 1-2-3-Tickets brummen. Auch sollte die Nutzung von E-Mobilität in jeder Dimension boomen. Und eine Veränderung des Neuwagen-Mix, weg von CO2-unvernünftigen, hin zu klimaneutralen Modellen, müsste erkennbar eingeleitet sein.
Die Letzten beißen die Hunde
Es kann aber auch sein, dass einige der Maßnahmen ihre Wirkung nur zum Teil entfalten. Außer Streit steht, dass finanzielle Anreize und Förderungen sofort einkassiert werden. Jedoch dort, wo klimaschädliche Effekte eingepreist sind, bleibt offen, wie die Masse reagiert. Jene, die es sich leisten können, werden wohl erst einmal murren und zahlen. Aber auch das Überwälzen der Mehrkosten auf Kund*innen oder die Suche nach günstigeren „Green-Washing“-Alternativen bleibt eine Option. Und zwar so lange, bis die Mehrbelastung irgendwo hängen bleibt. Diese Strategie wird eher reichen Personen und traditionell agierenden Unternehmen unterstellt. Vielleicht deshalb, weil dort der Klimawandel noch als lästige Modeerscheinung denn als kollektive Bedrohung wahrgenommen wird. In diesem Szenario bleiben die erwartbaren positiven Effekte auf das Klima überschaubar und es braucht rasch weitere Lenkungsmaßnahmen. Auf jeden Fall aber sollte es in der Staatskasse hörbarer klingeln als bisher. Bleibt nur zu hoffen, dass die Mehreinnahmen wieder in Klimaprojekte fließen. Es könnte aber auch sein, dass diese Mittel in Strafzahlungen wegen verfehlter Klimaziele oder die Refinanzierung der Corona-Schulden fließen.
Schau ma mal …
Das österreichischste aller Szenarien ist jenes, erst einmal gar nichts zu tun. Dort wo Mehrkosten winken, kommt es zu Vorziehkäufen oder Kauf-Verschiebungen. Und wo der gewohnte Lebensstil infrage gestellt wird, existiert die Hoffnung, dass sich in absehbarer Zeit andere Optionen auftun. Entweder die Wissenschaft zaubert unvermutet neue Lösungen aus dem Hut. Oder eine zukünftige Regierung macht teure Vorschriften rückgängig. Es könnte sich aber auch der Klimawandel als Fake entpuppen oder die Erderwärmung in der Balkanroute stecken bleiben. Auch wenn es polemisch klingt, wir Menschen reflektieren nun einmal stark auf Wunder und Heilsversprechen. Zudem hat sich hierzulande der Eindruck verfestigt, dass der Kampf gegen den Klimawandel für die Menschen zwar wichtig wäre. Hingegen sind die geforderten Beiträge schon anderen Themen gewidmet. Nämlich der Eigenvorsorge für den Fall, dass es Fridays for Future nicht alleine richten kann. In diesem Szenario würden alle bisherigen Regelungen zu reinem Alibi verkommen. Und es würde dringend eine radikale CO2-Preis-Politk nachgeschossen werden müssen. Aber selbst das ließe sich wieder längere Zeit aussitzen, weil es könnte sich ja alles von selbst regeln …
Es ist wünschenswert, dass die ersten Angebote der Bundesregierung zu einem kollektiven Umstieg auf klimafreundliche Mobilität positiv angenommen werden. Letztendlich aber wird es alle brauchen, um daraus den gewünschten Nutzen zu ziehen – auch die Strateg*innen, die Abwartenden und die Skeptiker*innen. Sonst werden wir stärker zur Kasse gebeten, als wir zurzeit mutmaßen. Alle zusammen UND jede*r von uns einzeln.
Salzburg, 07|2021 – Gerd
Hinweise
THG = Treibhausgas
Green-Washing = englisch für das Vorgaukeln umweltschonenden Verhaltens
NoVA = Normverbrauchsabgabe = extra Steuer auf die Verbrauchswerte eines KFZ-Modells
Link-Tipps
Wienerzeitung: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2110131-Anreize-fuer-klimafreundliche-Mobilitaet-treten-in-Kraft.html »
ÖAMTC: https://www.oeamtc.at/thema/steuern-abgaben/nova-normverbrauchsabgabe-18177294 »
Der Standard: https://www.derstandard.at/story/2000125032719/letztes-aufbaeumen-gegen-gruene-autosteuer »
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