Wasted 2024

KOMMENTAR | Content-ID: 162|01 | Autor: Gerd | Stand: 5.12.2024
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Bilder ohne Text

Rückblick auf ein verlorenes Jahr

Eigentlich müsste 2024 als ein Jahr in die Geschichte eingehen, auf das man aufbauen kann. Auch wenn global gesehen wenig an Krisenbewältigung und Deeskalation gelungen ist, es sollte jede Menge „Learnings“ geben, die bei der Ausgestaltung der Zukunft hilfreich wären. Tut es aber nicht! Die Spaltung und Entsolidarisierung der Gesellschaft marschieren mit Riesenschritten voran. Das Klima und die Umwelt schreien weiter lautstark um Hilfe. Der Bombenhagel auf mehr und mehr Kriegsschauplätze wummert sich ins Bewusstsein der Menschheit. Und die steigende Gefahr für Leib und Leben von Frauen, Andersdenkenden oder „Andersseienden“ sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Aber nichts ist passiert. Das Jahr 2024 ist wie eine Galerie voller (schrecklicher) Bilder, jedoch ohne begleitenden Text. So sind zwar jede Menge Emotionen im Spiel. An Orientierung aber fehlt es weiterhin.

Damit ist das auslaufende Jahr ein weiteres in einer Reihe von Jahren, in dem die eskalierenden Probleme dieser Welt in Hochglanz dokumentiert werden, man deren Lösung jedoch keinen Schritt nähergekommen ist. Nehmen wir bitte zur Kenntnis, dass die Welt und die Gesellschaft das Jahr 2025 auf dem Erkenntnisstand des Jänners 2020 beginnen werden. Also kurz bevor Corona die Schwächen der Zivilisation und ihrer Systeme schonungslos aufgedeckt hatte. Seit damals hat Krise um Krise die Lebensrealitäten weltweit verändert und planbare Größen wie die Wirtschaft, Demokratie, Diplomatie oder den gesellschaftlichen Zusammenhalt an ihre Grenzen gebracht. Und zwar so weit, dass noch vor 5 Jahren vielversprechende Strategien gegen die existenziellen Nöte der Menschheit mittlerweile massiv an Wirkung eingebüßt haben. Heute müssen wir anerkennen, dass das Problemlösungsrepertoire der Führungseliten unserer Welt ausgedient hat. Dass die Strategie „Trial and Error“ regelmäßig im „Error“ ohne nennenswertem Erkenntnisgewinn mündet.

Ein Indiz dafür, dass sich die Welt in diese Richtung entwickelt (hat), ist, dass es zu den vielen erschreckenden Bildern von den Krisenschauplätzen dieser Erde keine Erzählungen mehr gibt. So wie bei Fotos ohne Untertitel: Sie bereiten zwar den Augenblick emotional auf. Sie können jedoch nur bedingt zu einem Verstehen der Situation und zu einem Fortschreiben der Geschichte beitragen. Es braucht hingegen Narrative, um komplexe Sachverhalte deuten und in eine möglichst motivierende Zukunft projizieren zu können. Aber daran fehlt es seit Längerem. Leider ist auch 2024 wieder so ein Jahr, in dem wir ganz genau wissen, was falsch gelaufen ist. Vielleicht wissen wir auch, warum etwas nicht so funktioniert hat, wie es geplant war. Auswege aus den sich weiter zuspitzenden Miseren aber sehen wir noch immer keine. Das macht 2024 zu einem weiteren verlorenen Jahr.

Dabei hätte es reichlich Gelegenheiten gegeben, die Welt und die Gesellschaft zurück in die Spur zu bringen. Wohlgemerkt in ein zukunftsfittes, nachhaltiges Fahrwasser in ruhigere Gefilde als jene zu führen, in denen wir uns aktuell bewegen. Aber knapp verfehlt ist auch daneben. So werden die aktuellen und auch neue Kriege weiter ihre Opfer fordern. Die Umwelt und das Klima nähern sich noch immer den ersten unumkehrbaren Kipppunkten. Die Demokratie erodiert im Rekordtempo und die Wirtschaft kränkelt (zumindest regional) weiter. Zudem macht aufkeimendes Blockdenken den großen globalen Crash wieder etwas wahrscheinlicher als die Jahre zuvor. Und Hass und Egoismus haben Empathie und Kooperation als Leitmotive in der Gesellschaft abgelöst. Und das alles nur, weil zu den Horror-Bildern des Jahres die ehrlichen, jedoch Zuversicht gebenden Erzählungen fehlen.

Dafür wären die demokratischen Führungskräfte dieser Welt kooperativ zuständig. Die aber sind nicht fähig oder willens, Erzählungen einer Zeit nach den aktuellen Krisen zu entwerfen, für die wir Menschen uns begeistern können. Im Gegenteil: Anstatt Geschichten von einer guten absehbaren Zukunft zu erzählen, überlassen sie das Feld den Populist*innen für apokalyptische Untergangsfantasien mit noch mehr Leid und Zerstörung. Damit landet 2024 bei mir in der Schulbade für verlorene Jahre und vergebene Chancen – so wie schon die Jahre zuvor!

Salzburg, 12|2024 – Gerd

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