Wechseljahre

KOMMENTAR | Content-ID: 174|01 | Autor: Gerd | Stand: 08.5.2025
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2025 ist das Jahr des Perspektivenwechsels. Es gibt zu jedem Thema mehrere Sichtweisen, die es wert sind, vor den Vorhang geholt zu werden. Dieser Blog widmet sich daher ein Jahr lang der Herausforderung, sinnvolle und faktenbasierte Alternativen zum politischen Mainstream aufzuspüren, die helfen könnten, wachsendes Unbehagen wirksam einzuhegen.

 

Wechseljahre

Mein Alte-Männer-Dilemma

Der wohl bitterste Nachhall meines gerade gefeierten 60ers war, dass auch an uns Männern das Alter Spuren hinterlässt. Wir mutieren dabei mit jedem Jahr mehr am Buckel zu einem menschgewordenen Widerspruch. Befragt man Google, so werden wir sogar schon ab 50 schneller reizbar und nervös, jedoch gleichzeitig auch antriebslos oder gar depressiv. Zudem legen wir an Körperfett zu, aber bauen Muskelmasse ab. Die Ansprüche steigen, die Ausdauer hingegen schwindet. Insbesondere was Alltagsstress und die Konzentration betrifft, rechnen wir eher in Minuten denn in Stunden. Und auch wenn wir darum beten, dass die Mühen des Alltags endlich ein Ende haben, schieben wir vor der Ungewissheit, was das Leben noch zu bieten hat, Panik. Letztendlich verkaufen wir es als größten Erfolg, unbeschadet älter geworden, und hadern mit dem Misserfolg, nicht jung geblieben zu sein.

Gehen wir jetzt einmal davon aus, dass der Großteil der älteren weißen Männer auf ein und denselben Lebenslauf zurückgreift. Der besagt: Der typische Mann ab den 60ern hierzulande war in jüngeren Jahren ein toller Hecht. Er war beliebt, erfolgreich und ist mit einem reichen Erfahrungsschatz gesegnet. Das Geld- und Ressourcendepot ist prall gefüllt. Sein trautes Heim ist sein Eigen und das Auto ein Statement. Zudem ist „Mann“ ein Oberhaupt: Die Ehefrau ist treu und ergeben, die Kinder sind in seinen Fußstapfen unterwegs und die Enkerl kennen die Worte Bitte und Danke nicht nur vom Hörensagen. Die eigene Meinung ist Gesetz und alle, die das nicht anerkennen, sind ignorante Arschlöcher. Selbstverständlich trauert man dem nach, was man körperlich heute nicht mehr zu leisten imstande ist. Es wartet jedoch in der Zukunft ein Standardleben de luxe – opulent, altersgerecht und geschützt vor den Unwägbarkeiten des Alltags.

Gäbe es ein Handbuch fürs Älterwerden, wäre tatsächlich alles angerichtet für den Senioren (m) von heute. Es sein denn, man gehört – so wie ich – nicht dazu. Ich bin tatsächlich keiner dieser Kohorte von Männern mit austauschbaren Biografien und deckungsgleichen Erwartungen an ein Leben in Reife. Wobei es kein Nachteil wäre, ausgesorgt, seine Ziele erreicht und sein Leben auf Schiene zu haben. Daher ergeht meine ehrliche Gratulation an all jene, die dort angekommen sind, wo sie ein Leben lang hinwollten. Ich erkenne eure Leistung an und wünsche nur das Beste auf dem weiteren Weg. Ich selbst aber sehe mich nicht derart zielstrebig auf Kurs. Ich kann tatsächlich keine Phasen und Zwischenziele abhaken und damit in ein Leben bis hierher und ein Leben ab jetzt unterscheiden. Dazu ist mein Weg durch die Zeit zu sehr ein Prozess, den es zu meistern, vor allem aber zu genießen gilt. Ein permanenter, in vielen Phasen parallel verlaufender Prozess, der erst endet, „when it’s over“.

Auf meinem Weg sind Familie, Freund*innen und Kolleg*innen willkommene und stete Begleitungen, nicht Einträge in einer To-Do-Liste.  Ebenso wie mein Job einer ist, der mich hoffentlich bis ins hohe Alter begeistern wird. Oder meine (sportiven) Hobbys mir Freude und Herausforderung zugleich sind und noch lange sein werden. Klar ist älter werden ein Kompromiss – vor allem ein Arrangement mit wachsenden körperlichen und geistigen Defiziten. Es ist aber keine Ausrede, etwas nicht zu machen, nur weil es dazu Unterstützung, Workarounds oder alternative Ansätze braucht. Und schon gar nicht, weil es sich nicht mehr geziemt. Für mich habe ich nicht nur deshalb vieles richtig gemacht, weil ich die Gegenwart, in der ich gelandet bin und den Weg hierher genossen habe. Sondern auch, weil ich genau diesen Weg „ins Ungewisse“ immer weitergehen kann. Es gibt keine Etappenziele und keine geplanten Abzweigungen – lediglich Umstände, die anzuerkennen sind. Deshalb spielen keine schablonenhaften Lebensbilanzen die Hauptrolle, sondern ein voller Rucksack an Neugierde, Unternehmensgeist und positiver Energie.

Und den brauche ich auf meiner lebenslangen Entdeckungsreise. Einem Weg, der mich wieder und wieder auch dorthin führen wird, wo wir einander begegnen, uns austauschen und bereichern können. An Orte, an denen wir Zeit und Erlebnisse miteinander teilen, bevor wir weiterziehen. Ich wünsche mir, dass wir einander nie aus den Augen verlieren mögen. Gleichzeitig aber wünsche ich mir auch, dass wir immer in Bewegung bleiben, jede und jeder für sich. Und dass wir stets Neues erleben, von dem wir einander zu gegebener Zeit berichten.

Daher: Danke, dass es euch gibt, dass ihr da seid, wenn ich auf meinem Weg vorbeikomme und dass ihr mich sein lasst, wie ich bin.

 

Gerd Sendlhofer

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