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KOMMENTAR | Content-ID: 179|01 | Autor: Gerd | Stand: 31.7.2025
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2025 ist das Jahr des Perspektivenwechsels. Es gibt zu jedem Thema mehrere Sichtweisen, die es wert sind, vor den Vorhang geholt zu werden. Dieser Blog widmet sich daher ein Jahr lang der Herausforderung, sinnvolle und faktenbasierte Alternativen zum politischen Mainstream aufzuspüren, die helfen könnten, wachsendes Unbehagen wirksam einzuhegen.

 

Rüstungsschnorren

Das neue/alte Zauberwort heißt „Gegengeschäfte“

Manchmal reißt es mir die Augenbrauen hoch, wenn mich offensichtlich ernst gemeinte PR-Gags der heimischen Politführung erreichen. Zumindest eine – Braue meine ich. So geschehen bei der Meldung, dass Österreich sich nur dann selbst wirkungsvoll zu verteidigen gedenkt, wenn sich damit Geld verdienen lässt. „Gegengeschäfte“ lautet dabei das Zauberwort, mit dem den Wähler*innen versichert wird, dass kein Geld ausgegeben wird, wenn nicht angemessen geldwerte Leistungen zurückfließen. Also, wie am Beispiel Rüstung, es nur einen Schutz vor Raketen- und Drohnenangriffen gibt, wenn er sich (über Umwege) selbst finanziert.

Klingt schlau, ist’s aber nicht. Klar, Politik und infolge Volkswirtschaft, basiert zum Teil auch auf Tauschhandel. Nämlich dann, wenn nach dem Motto „gibst/erlaubst du mir, dann gebe/erlaube ich dir“ bilaterale Rahmenbedingungen für Geschäfte geschaffen werden. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es setzt jedoch keine Marktmechanismen außer Funktion, wie beispielsweise das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Und genau diese Gesetzmäßigkeiten sind es, die Österreichs Forderung nach Gegengeschäften mehr populistisch denn realwirtschaftlich gedacht erscheinen lassen.

Erstens erlebt die Rüstungsindustrie gerade weltweit einen gigantischen Boom. Das sind rund 200 Länder, die gierig nach allem greifen, was das reiche Österreich liegen lässt. Die Auftragsbücher der Konzerne sind schon jetzt prall gefüllt. Die Wartezeiten auf Rüstungsgüter gehen daher gegen Sankt Nimmerlein. Wer sich ziert, bleibt außen vor. Schon gar, wenn im internationalen Vergleich kleine Länder wie Österreich auf Diva machen.

Zweitens laufen die Geschäfte bereits. Heimische Unternehmen profitieren schon jetzt vom aktuellen Rüstungsboom. Ob in der Forschung und Entwicklung, oder als Produktions- oder Zulieferbetriebe, sie verdienen auch an den Bestellungen anderer Armeen, nicht nur der österreichischen. Das heißt auch, dass es nur wenig Raum für neue (echte) Gegengeschäfte gibt und für eine Erfolgsbilanz gehörig getrickst werden muss.

Drittens haben sich gerade die NATO-Länder zu höheren Rüstungsausgaben verpflichtet. Das bindet nicht nur langfristig Produktionskapazitäten. Es erzeugt auch anderorts den Wunsch nach Gegengeschäften. Und zwar um Auftragsvolumina, bei denen Österreich nicht mitbieten kann.

Viertens machen die USA ihren Partnern gerade klar, dass sie trotz Beistandspflicht nur gegen Cash eingreifen werden, wenn es militärisch zu Äußersten kommen sollte. Das und ein erhöhtes Waffenexportvolumen sind für Amerika ein Deal ohne Gegengeschäfte für Europa und/oder Österreich.

Fünftens, die Strategie der erpresserischen Selbstgefährdung, kommt nie gut an. Auch wenn Österreich immer mehr zum Land der Rabatte, der Bonuspunkte und Gegengeschäfte mutiert,  manchmal kommt man nicht umhin, das zu bezahlen, was man kauft. Die Gegengeschäftsansage der Bundesregierung in Rüstungsfragen mutet daher so an, als ging ganz Österreich in einen Hungerstreik und würden erst dann wieder essen, wenn uns der Wirt dafür bezahlt. Wohlwissend, dass er das nicht tun wird und wir das nie bis zum Äußersten durchziehen würden. Selbstverantwortung sieht anders aus!

Um- statt aufrüsten

Was also sollen die gegenwärtigen Gegengeschäftsfantasien? Was steckt hinter der Ankündigung einer Taskforce, die bei Österreichs Rüstungsausgaben um Re-Deals zockt? Und das, obwohl Österreichs Industrie so ziemlich das gesamte Volumen an möglichen Gegengeschäften auch ohne unser Bundesheer absahnt. Und, obwohl Österreich am internationalen Rüstungsmarkt so gut wie keine Verhandlungsmacht besitzt. Zudem Österreich gar nicht daran denkt, sich selbst ernsthaft zu verteidigen, sollte es krachen. Und es für Rüstungsausgaben angesichts der Budget-Lücken ohnehin nur zu Alibikäufen reicht. Ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Vielleicht deshalb, weil gerade überall über Waffen und Krieg gesprochen wird und wir traditionell so gerne mitreden. Oder aber, weil es populärer klingt, man würde Verteidigungsgerät nur anschaffen, um damit Geld ins Land zu karren, als dass man Sicherheit für Leib, Leben und Wohlstand einkaufen würde.

Wenn Sie mit Krieg und Verderben wirklich Geld verdienen möchten, verbessern Sie lieber die Rahmenbedingungen der Unternehmen und versprechen Sie keine Erlöse als „Extra“, die diese ohnehin machen werden. Ich meine damit Entwicklungsaufträge an die Drohnen-, Laser-, Cyber- oder Logistik-Branchen. Oder Rüstungsstahl aus Linz, Industrie-Zulieferprodukte aus Graz und drohnengerechte Munition aus der Nähe von Wien. Das wären im marktwirtschaftlichen Sinne Angebote mit hoher Nachfrage – also mögliche Deals, die auch ohne diffuse Gegengeschäfte funktionieren würden.

Oder aber, Sie packen das Grundproblem „Krieg“ bei den Hörnern.

Beginnen Sie doch endlich, die Neutralität Österreichs offensiver zu interpretieren – und nicht bloß als Verzicht auf Sehen, Hören und Sprechen. Warum investieren Sie nicht in Deeskalation, Diplomatie und Konfliktmanagement? Österreich sollte (mit entsprechendem Mandat) Krisen managen, Kontrahent*innen an den Verhandlungstisch führen und vermitteln, vermitteln und vermitteln, was geht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit dieser Geschichte über Gegengeschäfte überhaupt das nötige Vertrauen anderer Staaten gewinnen könnten. Das wäre ein mindestens ebenso großer Beitrag zur Friedenssicherung wie militärische Abschreckung. Es wäre zudem ein Angebot an Europa und die NATO, Österreich im Krisenfall mitzudenken – ganz ohne Gegengeschäfte. Und es wäre unique – also ein neuer (bzw. wiederentdeckter) Weg zur friedlichen Koexistenz der Völker.

Das Leben ist zu kurz, um nicht auf den Punkt zu kommen!
Gerd Sendlhofer

Hinweise

In diesem Beitrag wechselt die Perspektive vom frommen Wunsch (Rabatte, Geschenke, Gegengeschäfte) zur knallharten Wirklichkeit (wenig schlüssige Argumente) als Maßstab zielorientierter Politik.

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