Das neue Fair

Content-ID: 086|01 | Autor: Gerd | Stand: 17.3.2022

Das neue Fair!

Hätte, hätte Lieferkette

Jetzt ist bald Schluss mit faulen Ausreden. Sobald das neue Lieferkettengesetz der EU geltendes Recht wird, haben Menschenrechte und Umweltstandards in den europäischen Produktwelten einen Verbündeten mehr. Möglich könnte das werden, weil dieses Mal EU-Recht direkt an den Mechanismen der Märkte andockt. Die Gesamtverantwortung für die Einhaltung der neuen Bestimmungen bleibt nämlich bei den europäischen Unternehmen. Sie selbst, und keine Behörde, haben für Fairness entlang der weltweiten Lieferkette ihrer Produkte zu sorgen. Mit welchen Strategien und Mitteln, bleibt Sache des freien Wettbewerbes. Das hört sich vielversprechend an, jedoch regt sich gegen diese Pläne massiver Widerstand.

Im Detail werden europäische Unternehmen dafür verantwortlich sein, dass ihre Produkte „sauber“ in den Laden kommen. Keine Kinderarbeit, faire Entlohnung, sichere Arbeitsbedingungen und keine Schädigungen der Umwelt und des Klimas – egal, wo auf der Erde. Wenn nicht, können sie von Betroffenen privat geklagt werden. Das klingt gut und ist es auch. Sollte es gelingen, dieses Recht sozial gerecht umzusetzen, wäre es ein zivilisatorischer Meilenstein. In der aktuellen globalen Situation von Politik und Wirtschaft wird es jedoch nicht so glatt laufen wie gewünscht. Angesichts steigender Autonomiebestrebungen Europas werden Arbeitnehmer*innen in fernen Ländern ihren Job verlieren. Durch den Ukraine-Konflikt werden „No-Gos“ eines strengen Lieferkettengesetzes und kritisierte Handelspartner*innen wieder salonfähig. Zudem befeuert der Wegfall billiger Produktion die Inflation. Und in wichtigen Innovationen, wie z.B. dem e-Auto, sind Stoffe verbaut, deren Gewinnung und Aufbereitung gegen fast jedes Verbot entlang der Lieferkette verstoßen. Dazu kommt, dass Europa zusehends an Einfluss in dieser Welt verliert und im Alleingang wohl kaum zählbare Effekte auf fernen Kontinenten erzwingen kann.

Was wollen die NGOs?

Trotz starkem Gegenwind gegen das Lieferkettengesetz sind NGOs zu Recht der Ansicht, dass, wenn schon Recht geschaffen wird, es auch wirken sollte. So ist der Passus, dass wegen eines Größenlimits für Betriebe lediglich 0,2 % der Unternehmen betroffen wären, nicht zielführend. Ebenso wird kritisiert, dass kritische Branchen, wie das Bau- oder das Transportwesen, grundsätzlich vom Gesetz ausgenommen sind. Und letztendlich ist eine Privatklage zwar wünschenswert, in der geplante Form jedoch nur schwer einzubringen. Zudem werden Strafzahlungen nicht an die Opfer weitergeleitet.

Wovor fürchtet sich die Wirtschaft?

Die Unternehmen sehen sich hingegen nicht in der Lage, die gesamte Kette an Lieferant*innen und Subunternehmen auf Verstöße zu überwachen. Insbesondere bei Mangel-Rohstoffen, wie z.B. Kobalt für Auto-Akkus, sitzen die Übeltäter*innen immer am längeren Ast. Zudem verteuern verbesserte Produktionsbedingungen im Herkunftsland die Ware. Das wiederum führt zu Preisschocks bei begehrten Gütern des Alltags. Davon betroffen wird auch die europäische Exportwirtschaft sein. Und der Rückzug Europas aus den Märkten für „böse Güter“ wird die globalen Lieferketten umleiten und hierzulande zu massiven Lieferproblemen führen.

Trotzdem fehlt da noch was!

Unterstellen wir dem neuen europäischen Selbstbewusstsein einfach mehr Erfolg, als wir es heute tun. Dann kann diese Gesetzesinitiative tatsächlich Gutes bewirken. Dazu aber müssten die Pläne der EU-Kommission noch einige Schritte weiter gehen – zum Beispiel:

  • Die Lieferkette muss auch inner-europäisch und regional strenger kontrolliert werden. Insbesondere bei Ernte-, Fabrik- und Tourismus-Jobs bzw. Praktika oder beim Einsatz von Umweltgiften in der Landwirtschaft.
  • Auch fairer Wettbewerb muss Teil der Lieferkette sein und betroffene Unternehmen Klagerecht erhalten. Daher sind Schwarzarbeit und andere illegale Strategien zur Vermeidung von Kosten stärker zu ahnden als bisher.
  • Für die Transportbranche darf keine Ausnahmeregelung gelten. Zum einen geht es um die Arbeitssituation von z.B. LKW-Fahrer*inne Zum anderen ist der Transport Teil der Lieferkette und damit des ökologischen Fußabdruckes eines Produktes.
  • Das Lieferkettengesetz muss auch gegen Staaten und staatsnahe Betriebe (z.B. China) oder gegen bestehende Handelsverträge durchsetzbar sein.
  • Europäer*innen, die über das Endprodukt mit Verstößen gegen das Lieferkettengesetz Schaden erleiden (z.B. durch Gifte und Gefahrenstoffe), müssen Klagerecht erhalten.
  • Das Lieferkettengesetz muss sinngemäß auch auf Dienstleistungen anwendbar sein.
  • Zudem ist Korruption als Tatbestand in das Gesetz aufzunehmen.

Bleibt zu hoffen, dass die Nachverhandlungen in der europäischen Kommission, bis zum endgültigen Beschluss, dem Lieferkettengesetz noch die nötige Schärfe verleihen. Wie bereits festgestellt: Das geplante Lieferkettengesetz kann ein wichtiger Baustein unserer Gesellschaft auf ihrem Weg in eine bessere Zukunft werden. Möge daher die Gunst künftiger Entwicklungen mit uns sein.

Salzburg, 3|2022 – Gerd