Ankündigung | Content-ID: 128|01 | Autor: Gerd | Stand: 10.8.2023
(hc) human created | von Menschen erdacht!
Von A nach C
Mobilität der Zukunft braucht keine Konzepte von gestern
Irgendwie entsteht der Eindruck, die Diskussion um die Mobilität von Menschen und Dingen in absehbarer Zukunft wäre bereits entschieden. Und zwar in der Form, dass eh alles bleibt, wie es ist, nur dass es elektrisch laufen wird. Wer sich also umhört, zu welchen Anlässen und wie etwas künftig von einem Ort zum anderen transferiert werden wird, wird Geschichten zu hören bekommen, die schon in den 1980er–Jahren erzählt wurden. Legenden von Autos und Öffis, aufgehübscht mit E-Attributen und digitalen Goodies, aber immer noch derart „old school“, als hätte in den letzten Jahrzehnten keinerlei Innovation stattgefunden.
Mich entsetzt dabei ganz besonders, dass noch heute milliardenschwere Nostalgie-Projekte kommenden Generationen wie Klötze ans Bein gebunden werden. Besonders im urbanen öffentlichen Personennahverkehr werden brandaktuell Vorhaben diskutiert, die seit 20 Jahren Schnee von gestern sein sollten. Die Zukunft der städtischen Mobilität inklusive Pendelverkehr sieht einfach anders aus, als auf Gleisen von Station zu Station zu tuckern. Das ist, angesichts heutiger Möglichkeiten, höchst ineffizient, unflexibel, teuer und trifft die Mobilitätsbedarfe der Menschen nur halb. Den Aufmerksamen unter den Leser*innen dieses Beitrages wird nicht entgangen sein, dass ich wieder einmal meine Zweifel am Salzburger S-Link-Projekt herauslasse. Das aber erneut aus gutem Grund. Es hat sich nämlich das Argument festgesetzt, das Verlegen von Schienen durch engsten urbanen Raum wäre ein innovatives Mobilitätsprojekt im Sinne künftiger Generationen.
Das aber ist es definitiv nicht!
Kann es auch gar nicht sein. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Bahnen fahren immer dieselbe Strecke, brauchen Stationen und nutzen verbindliche Fahrpläne. Das mag im Fernverkehr effizient und sinnvoll erscheinen, im städtischen Nahverkehr ist „Tür zu Tür“ der geforderte Standard. Genau deshalb hat das Auto in den letzten Jahrzehnten den Modal-Mix dominiert und ist jetzt nur mehr schwer loszuwerden.
- Bahnen ersetzen nur einen Teil des privaten Individualverkehrs. Damit braucht dieser weiterhin jede Menge versiegelte Park- und Verkehrsflächen. Den aber würden Fußgänger*innen und Radler*innen mehr benötigen, um sich friktionsfrei im öffentlichen Raum zu arrangieren.
- Die Frage, die deshalb im Sinne künftiger Generationen beantwortet werden müsste, ist daher, wodurch man auf das Auto UND(!) die Bahn verzichten kann? Und Sie werden es nicht glauben: Lösungen, die die Nachteile beider Verkehrskonzepte vermeiden, jedoch deren Vorteile vereinen und das Tor zur Zukunft weit aufstoßen, sind längst in Entwicklung.
- Der individualisierte ÖPNV baut längst auf innovativere Technik, minimalen, weil optimierten, Ressourceneinsatz (auch bei der Hardware), smarte, autonome Streckenlogistik, überschaubare Infrastruktur-Maßnahmen, große Lenkungseffekte und das alles mit einer On-Top-Wertschöpfungskette.
Wer also die Verbindung von Oberndorf nach Hallein durchgängig gestalten möchte, sollte sie an der Stadt vorbeiziehen. Dafür aber die Stadt selbst und den umgebenden Speckgürtel autofrei halten und mit zeitgemäßen Verkehrskonzepten erschließen. Das ist Zukunft, meine Damen und Herren, und nicht das Untertunneln einer Stadt und das Verlegen von Schienen, wie es schon Ingenieure vor 150 Jahren getan haben. Künftige Herausforderungen brauchen Konzepte und Techniken der Zukunft und nicht Eitelkeiten und Nostalgie. Ich würde mir so gerne sicher sein, dass auch in diese Richtung schon von der Politik beauftragte Projektteams arbeiten und nicht nur die Aushöhlbarkeit des städtischen Untergrundes gecheckt wird. Ich fordere daher die Politik auf, Erkenntnisse in Richtung „echte“ Innovation zu veröffentlichen und der Schwarmintelligenz zur Verbesserung zur Verfügung zu stellen.
Was zudem aus der laufenden Diskussion in Salzburg so gar nicht durchdringen möchte, ist, wie die Probleme der Gegenwart rasch und effizient gelöst werden sollen. Alle warten auf die Bahn, von der wir wissen, dass sie irgendwann nur einen Teil der Verkehrsprobleme beseitigen wird. Aber auch im Hier und Heute braucht es politisch mutige Entscheidungen, wie beispielsweise:
- Die Innenstadt sofort und komplett autofrei halten.
- In moderne Liefer- und Personentransferkonzepte investieren und die Leute alternativ zum Auto mobil halten.
- Fußgänger*innen- und Radverkehr trennen.
- Sich selbst, Unis und die Wirtschaft in einem Innovation-Hub mit Technologieunternehmen zusammenschließen und die Zukunft aktiv gestalten.
In diesen Belangen hilft, nach meinem Dafürhalten, die geplante Bahn herzlich wenig. Zudem werden die genannten Entscheidungen, sofern nicht rasch getroffen, den Salzburger*innen auch dann noch abverlangt werden, wenn die ersten Züge unter der Salzach durchbrausen.
Das führt mich wieder zurück zum grundsätzlichen Thema meiner aktuellen Recherchen, der Mobilität von morgen. Der S-Link in Salzburg bietet sich zwar als ideales Beispiel dafür an, dass zu Fragen rund um künftige Mobilitätsbedarfe und -lösungen, wie sie aktuell diskutiert und präsentiert werden, die finalen Antworten längst noch nicht gefunden sind. Das gilt für den allgemeinen Personen- und Warenverkehr ebenso wie für die Versorgung mit Strom, Wasser, Wärme, Kälte und anderen Versorgungsgütern. Wir diskutieren auch hier zu oft auf dem Stand von heute über die Herausforderungen der Zukunft. Solange wir aber nicht künftige Technologien und die sich verändernden Lebensrealitäten der Menschen mit in unsere Überlegungen einbeziehen, laufen wir Gefahr, nur halbe Lösungen für die großen Veränderungen und Bedrohungen der Zukunft zu kreieren. Und das möchte ich nicht!
Salzburg, 8|2023 – Gerd
Hinweis
Meine gesammelten Visionen einer Mobilität der Zukunft, auf Basis von künftigen Bedarfen mit Einsatz technischer Lösungen von morgen, werden als BUSINESS NOVELLE unter dem Titel „Von A nach C“ erscheinen. Wenn’s gut läuft, noch 2023.
Digitale Goodies = digitale Zugaben, Besonderheiten
Modal-Mix = Anteil einzelner Mobilitätsformate am gesamten Verkehrsaufkommen.
Innovation-Hub = Knotenpunkt innovativer Forschung und Entwicklungen
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