Gartenbilanz

KOMMENTAR | Content-ID: 132|01 | Autor: Gerd | Stand: 5.10.2023
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Gartenbilanz

Schwache Ernte, starkes Gefühl

Selbstversorgt! Auch wenn es sich in Zeiten wie diesen gut anfühlt, sich selbst zumindest teilweise mit Lebensmitteln zu versorgen – ein eigener Gemüsegarten steht für weit mehr als nur für Ertrag. Klar, die an Schadstoffen freie Zucchini, der extra knackige Kohlrabi, die Vielfalt der Kräuter oder Tomaten mit Geschmack sind Ernte-Ergebnisse, die süchtig machen können. Nicht körperlich, aber emotional mit einem Fokus auf Frische, Gesundheit, Experimentierfreude und Unabhängigkeit allemal. Selbst wenn es für vegetarische Hobby-Gärtner*innen wie uns illusorisch bleibt, sich ganz unabhängig vom gewerblichen Gemüsehandel zu machen, in einem eigenen Stückchen „Scholle“ steckt so viel Mehrwert, dass es die extra Mühe und die Begeisterung lohnt.

Wie Stammleser*innen dieses Blogs wissen, bin ich aktives Mitglied im Gemeinschaftsgartenprojekt meiner Frau. Die hat sich als Gärtnerin aus Leidenschaft heuer zur Selbstversorgungspädagogin diplomieren lassen (Gratulation) und weiß jetzt, wo’s langgeht. Wir sind insgesamt 7 Leute, die in eigenen Beeten und auf Gemeinschaftsflächen ihrem Selbstversorgungsdrang ungehindert nachgehen können. Dazu kommen ein Tomatenhaus, ein mächtiges Bohnengerüst, Erd- und Kompost-Anlagen, die Geräte-Lagerung und jede Menge Freifläche für Bienenweiden, Nützlinge und feiernde Gärtner*innen. Ich bin dabei für das ganze Infrastruktur-Zeugs und einige Gemeinschaftsdinge zuständig. Unter anderem auch für das selbst entworfene und gebaute Tomatenhaus, die Erdgewinnung oder das (fast) autonome Wassermanagement. Auf das eigene Beet habe ich, mangels Erfolgs im letzten Jahr, heuer verzichtet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heuer, im dritten Jahr unseres Garten-Projektes, nach zwei Saisonen der Erkenntnis, sollte endlich der große Durchbruch gelingen. Gemeint ist ein üppiger Ernteertrag, der zumindest die Basisbedarfe der Mitglieder und ihrer Familien decken sollte. Und fallweise wurde das auch geschafft. Wenn ich an die Knoblauchernte denke, mit der wir Wölfe und Vampire wohl für die nächsten 100 Jahre vom Haus fernhalten könnten, bin ich zufrieden. Auch mit den Bohnen, verschiedenen Krautsorten, Tomaten, Kohlrabi, diversem Wurzelgemüse, Mangold (no-na) und weiteren Sorten, die sich heuer wohlgefühlt zu haben scheinen. Klar, totale Autarkie haben wir, abgesehen vom Knoblauch, mit keinem der genannten Gewächse erzielen können. Für die saisonale Küche und vielversprechende Konservierungsversuche jedoch hat es gereicht. Dass wir bei den Kartoffeln aber auch heuer wieder dürftige Beute gemacht hatten und an anderen Stellen Totalausfälle verzeichnen mussten, war wohl der Natur geschuldet.

Dabei haben nicht nur die wechselnden Wetterphasen zwischen langen Dürren und ewigem Dauerregen dafür gesorgt, dass die Pflanzen selbst Geduld üben mussten, um zu wachsen und zu reifen. Das wiederum hat dazu geführt, dass einzelne Sorten teilweise so spät geblüht haben und gewachsen sind, dass sie es gerade einmal zu einer einzigen Gnadenfrucht geschafft hatten, anstatt, wie noch im Vorjahr, üppig zu produzieren. Wir hatten auch mehr Besuche aus der Tierwelt, die Gefallen am neuen Fressangebot gefunden zu haben scheint. Es ist einerseits frustrierend, ringt andererseits aber auch mächtig Respekt ab, wenn die Mäuse-Gemeinde 60 % der Süßkartoffelernte kapert oder erst die dritten bzw. vierten Versuche der Kürbis- und Zucchini-Pflanzungen verschmäht. Dazu kommen Schnecken in ungeahnter Zahl und historischer Größe, die zu klauben ein Ding der Unmöglichkeit geworden ist. Und natürlich waren auch die klassischen Beet-Gäste in Form von Kohlweißlingen, Blattläusen oder Wanzen höchst aktiv. Aber sei’s drum: Das Erste, was man beim Gärtnern ohnehin lernt, ist, dass Schwund Teil des Spieles ist und man damit umzugehen lernen kann.

Worin aber liegt jetzt der Mehrwert, von dem ich eingangs so geschwärmt habe?

Es ist der Akt des Gärtnerns selbst. Das Tun, beginnend schon beim Graben und Lockern der Erde, bis die Scholle reif für die Aussaat ist. Darauf folgen die Planung, die Abstimmung mit den Co-Gärtnerinnen (alle weiblich), der Einkauf der Setzlinge und die damit ins Unermessliche wachsende Vorfreude auf die kommende Saison. Irgendwie sollten Hobby-Gärtner*innen emotional das Frühjahr (der euphorischen Erwartungen) und den Herbst (der ernüchternden Ernten) zusammenzählen und durch zwei dividieren. Dann heben sich Lust und Frust auf und es verbleibt ein Gefühl der positiven Erkenntnis als Auftrag für die kommende Pflanzzeit. Es ist aber auch das Werdenlassen. Das Beobachten, wie die eigene Aussaat zum Lebensmittel wird, und die Bewunderung, mit welcher Energie die Natur für Wachstum und Leben sorgt. Dazu kommt ein Quäntchen Demut, wenn die Umwelt zwischendurch mit roher Zerstörungswut protzt und im angrenzenden Waldstreifen ganze Baumriesen fällt. Und das, um gleichzeitig das klapprige (wie erwähnt selbstgemachte) Tomatenhaus zu verschonen (yes!). Und es bestimmen Freude und Dankbarkeit die Gefühlswelt rund um das gemeinsame Gartenprojekt. Egal, ob es um wertvolle Tipps, die Urlaubsvertretung beim Gießen, die Unterstützung bei mühseligen Buddlereien oder den gemütlichen Plausch über Schnecken oder Gott und die Welt geht, gemeinsam wird Gärtnern zum Erlebnis.

Und genau das ist mein eigentlicher Ernteertrag für dieses Jahr. Das schöne Gefühl, etwas Sinnvolles und Gutes getan, einige Pläne umgesetzt bzw. Werke vollbracht und nette soziale Kontakte genutzt zu haben. Danke dafür!

Salzburg, 10|2023 – Gerd

PS: Ach, Sie warten jetzt noch auf das Unbehagen, das mich üblicherweise durch diesen Blog reitet? Fehlanzeige – das hat sich bei diesem Thema nicht eingestellt und das ist gut so!

Hinweis

Scholle = gemeint Erdscholle, Ausdruck auch für Ackerland, Anbaufläche

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