Meinungsvielfalt

KOMMENTAR | Content-ID: 142|01 | Autor: Gerd | Stand: 22.2.2024
(hc) human created | von Menschen erdacht!

Chaos auf allen Kanälen

Wenn Medien zur Arena werden

Was mich meine Arbeit an meinem Format für Zukunftsliteratur (BUSINESS NOVELLE) gelehrt hat, ist wieder zuzuhören. Und Fragen zu stellen, mit dem Ziel, andere Ansichten, Erfahrungen und Meinungen zu hören als meine eigenen. Ich nenne das, was ich im Rahmen meiner Recherchen diesbezüglich tue, „SOKO Zukunft“. Es ist mein Versuch, möglichst etwas von anderen Menschen zu erfahren, was meinen Horizont erweitert. Und Sie werden es nicht glauben, wie viele spannende und visionäre Beiträge so in meinem Erkenntnis-Pool gelandet sind, die sich letztendlich auch in meiner Arbeit als Autor wiederfinden. Noch weniger werden Sie glauben, wie viele Menschen sich ohne ideologische Scheuklappen und vorgefasste Meinung mit ihrer eigenen und unser aller Zukunft beschäftigen. Und um wie viel kreativer und lösungsorientierter deren Ansätze für die Bewältigung künftiger Herausforderungen sind als alles, was mir Tag für Tag von immer denselben Leuten in den sozialen und anderen Medien vorgekaut wird.

Irgendwie leben wir in einer „Welt der Sendungsbewussten“. Also jener Menschen, die viel Energie dafür aufwenden, ihr Innerstes als Heilsbotschaften auf allen Kanälen zu trommeln. Egal ob privat via Social Media oder als Kolumnist*innen renommierter österreichischer oder deutscher Medien. Okay, immerhin ist es auch der Job einiger dieser Leute, Deutungshoheit anzumelden, Info-Blasen aufzublähen und virtuelle Räume mit lukrativen Produkt- und „alternativlosen“ Lösungsideen zu füllen, bis nichts anderes mehr Platz darin findet. Maximales Echo, statt ehrliches Feedback, wird damit zum Credo der medialen Elite, die sich derart überlegen glaubt, dass sie den Boden der realen Erkenntniswelt längst verlassen hat. Sie glauben mir nicht? Dann gönnen Sie sich bitte einmal die Vielfalt an Statements auf den Medien-Kanälen, wenn es um die großen und die kleinen Fragen unserer Zeit geht. So zum Beispiel zum „S-Link“, einem Regionalbahnprojekt, das zurzeit in Salzburg heftig diskutiert wird.

Der S-Link und die direkte Demokratie

So hat eine im November 2023 durchgeführte Befragung der Salzburger Stadtbevölkerung zum „S-Link“ neben dem eindeutigen Ergebnis von 58 % zu 42 % für die Gegner*innen auch Zweifel an der direkten Demokratie als politisches Beteiligungsinstrument gebracht. Besonders harsch waren dabei die Reaktionen der unterlegenen Seite. So wird im Nachgang der Abstimmung in gleich mehreren Leser*innenbriefen und Social Media-Einträgen behauptet, dass Projekte wie der „S-Link“ nicht geeignet wären, über eine Bürger*innen-Befragung entschieden zu werden. Dabei wird unter anderem (im O-Ton) moniert, „dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung überhaupt in der Lage ist, vernetzte komplexe und umfangreiche Sachverhalte verstehen zu können.“ Und weiter: „Komplexe Themen müssen von Experten und Politikern, die dafür gewählt wurden, zum Wohl der Allgemeinheit entschieden werden. Das darf man nicht uninformierten emotionsgeladenen Bürgern überlassen.“ An anderer Stelle wird dazu die Frage gestellt, „wo überhaupt die Sinnhaftigkeit der sogenannten ‚direkten Demokratie‘ endet?“ Die Kritik der überstimmten Pro-Seite bezieht sich dabei vorwiegend darauf, dass zu dieser ersten Befragung „nur“ rund 22 % der Wahlberechtigten zur Urne geschritten sind. Das sind etwa 25.000 Personen, die ihr Recht auf Beteiligung wahrgenommen haben. Dem Rest war es (vordergründig) egal. In der Öffentlichkeit wurde daher die Umfrage mehrfach als „nicht repräsentativ“ verurteilt. Was unter anderem zur Forderung führte, zu diesem Projekt „nur unter 50-Jährige abstimmen zu lassen.“ An anderer Stelle wird betont, „die 78 % Nichtwähler*innen wären ohnehin Befürworter*innen“. Oder dass angesichts der niedrigen Teilnahmezahl das Ergebnis als ausgeglichen zu betrachten und die Stimmen-Differenz „Rundungsverlusten“ geschuldet sei.

Grund genug für die Politik, nach dem deutlichen „Nein“ der Stadtbevölkerung zum Projekt eine neuerliche Befragung anzukündigen und dabei auch die Umlandgemeinden mit einzubeziehen. Dabei überwiegt offensichtlich die Hoffnung, dass durch verbessertes Marketing seitens der Projektgesellschaft und eine grundsätzlich positivere Stimmung in den angrenzenden Gemeinden das Ergebnis kippen könnte. Aber auch das ist Spekulation. Auf jeden Fall wird seitens der Projekt-Gegner*innen diese „Missachtung einer demokratisch gefällten Entscheidung“ heftig kritisiert. So wird der Politik u. a. unterstellt, wohl „so lange wählen zu lassen, bis das Ergebnis passt“. Oder dass die „Umlandgemeinden nur deshalb dafür wären, weil sie nichts für den Bau des S-Link bezahlen müssten“. Beide Kritikpunkte sind zwar nicht von der Hand zu weisen, schießen im Zuge der Diskussion jedoch über das Ziel hinaus. Vor allem deshalb, weil das Ergebnis einer neuerlichen Befragung bei Weitem nicht feststeht. Immerhin hat die Informations- und Stimmungsarbeit in den Umlandgemeinden noch gar nicht begonnen.

Abschließend und nur zum Vergleich einige Volksbefragungen bzw. Bürger*innen-Abstimmungen, die in der Öffentlichkeit als demokratiepolitisch aussagekräftig wahrgenommen und akzeptiert wurden: „Klimavolksbegehren 2021“ mit 6 % Wahlbeteiligung | „Nein zur Erweiterung der Mönchsberggarage 2023“: 21 % | „Frauenvolksbegehren 2018“: 7,5 % | „Gentechnikvolksbegehren 1997“: 21 %.

Für mich waren diese abwertenden Reaktionen auf einen legitimen Akt von Bürger*innen-Beteiligung mit ein Grund, mein neues Buch „Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft“ in einer Sonderauflage um einen „EXKURS S-Link“ zu erweitern. Wie gewohnt mit dem Kapitel „Points of View“, in dem, ohne jemanden herabzuwürdigen, auch andere Meinungen nachzulesen sind. So, wie es sich in einer zivilisierten Demokratie eigentlich gehört.

Mehr zur dieser Sonderauflage erfahren Sie im nächsten Beitrag in zwei Wochen.

 

Salzburg, 2|2024 – Gerd

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