Fernweh

KOMMENTAR | Content-ID: 146|01 | Autor: Gerd | Stand: 11.4.2024
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Ab in den Urlaub

Vom Wechsel in andere Welten

Seit wann haben Sie Ihren Urlaub für diesen Sommer unter Dach und Fach? Also terminisiert, die Reise und Unterkunft fix gebucht und damit der Vorfreude Inhalt und ein Zieldatum gegeben. Und wohin geht es dieses Mal? Haben Sie etwas Neues im Visier oder suchen Sie wieder Vertrautes, um den heimischen vier Wänden für einige Tage oder Wochen zu entfliehen? Also ich bin, wie jedes Jahr, mit der Planung meiner Ferien hoffnungslos spät dran. Zu lange habe ich wieder einmal überlegt, aus alljährlichen Urlaubsritualen auszubrechen und mich unbekannten Erlebniswelten zuzuwenden. Tatsächlich Erlebnis á la Abenteuer, Aktivität und Überraschung. Wieder einmal Gast sein in einer Region, sich den Respekt der Einheimischen erst verdienen und dafür ehrliches Interesse an den Menschen und ihrem Leben zeigen. Auch wenn dazugehört, Preise, Standards oder Kompromisse zu akzeptieren, die der Region, dem Klima, den lokalen Möglichkeiten oder der gebotenen Qualität geschuldet sind. Und zwar in beiderlei Richtung, also mit Ausreißern nach oben und nach unten.

Mir sind mittlerweile die Verbraucher*innen-geschützten Urlaubsarrangements zu unwirklich geworden. Jene hochglänzenden Garantiewelten, in denen jedes Grad Hitze zu viel, jede Minute Wartezeit oder jede fehlende Happy Hour geldwert eingeklagt werden kann. Diese Formate des Urlaubs mit Programm lassen zu oft Räume für Spontanität und lokale Teilhabe vermissen, die es brauchen würde, um dem systemisch dominierten Alltag tatsächlich zu entfliehen. Wenn ich den Reise-Erzählungen der Kolleg*innen lausche, höre ich oft Beschreibungen des Alltages, der in der Fremde zwanghaft wiederholt wird. Natürlich in anderer Umgebung und mit touristischer Unterstützung, aber immer noch Alltag. Klar, ich verstehe durchaus, dass der Aufwand zu hoch und die Zeit zu kurz sind, um nicht nur den Wohnort, sondern das ganze Leben temporär zu verändern. Reizvoll aber wäre das durchaus. Ich meine damit nicht, das biedere Leben zuhause auf Zeit mit einem Sex- oder Party-Urlaub zu tauschen. Ich meine ein Zurück zu Bedürfnissen, die im Laufe des Lebens oft in der Kindheit zurückgelassen werden: Bewegungsdrang, soziale und intellektuelle Neugierde und erweiterte Horizonte.

Zudem werden sich über kurz oder lang die Urlaubsmöglichkeiten von uns Mitteleuropäer*innen ohnehin grundlegend wandeln. Klimatisch und durch gravierende Veränderungen in unseren Lebenswelten bedingt, wird in den kommenden Jahrzehnten Ersatz für gewohnte Destinationen gefunden werden müssen. Sei es, um der Hitze oder den Bränden am Mittelmeer zu entgehen. Oder um dem durch Homeoffice immer stärker auf den Wohnort konzentrierten Alltag tatsächlich zu entfliehen. Es ist daher kein Wunder, dass beispielsweise inneralpin mit fehlenden Hitzetagen geworben oder ein Outdoor-Programm geboten wird, das eben nicht „as usual“ den täglichen Trott wiederholen soll. Kürzer, dafür aber öfter, intensiver, spontaner und erlebnisreicher scheinen in der klimatischen Übergangszeit „innergebirg“ die Erfolgsrezepte zu sein. Zumindest so lange, bis die Alpenseen zu warm, die Gletscher abgeschmolzen oder Berggipfel zerbröselt sind und der Gästeansturm in direkte Konfrontation mit den Einheimischen oder dem Bären und dem Wolf gerät. Auch hier ist der Platz für die Betreuung von Gästen enden wollend. Nicht, was den Bau von Hotels bzw. Chalets und Attraktionen betrifft. Sondern die touristische Tragfähigkeit der Region.

Wie also entgehe ich dieses Jahr der Verführung, sowohl Teil des touristischen Einheitsbreis als auch des lokalen „Overtourisms“ zu werden? Wie kombiniere ich persönliche Urlaubsträume mit den Möglichkeiten der Regionen und der dortigen Bevölkerung? Zur Beantwortung dieser Fragen habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, nach Orten und Regionen zu suchen, die mit sich selbst und der umgebenden Natur im Reinen sind. Nach Philosophien, in denen die lokale Tradition und die Umwelt das Gut darstellt und der Tourismus-Erlös dessen Erhaltung gewidmet ist. Es geht dabei auch um Gastgeber*innen, die ihnen wildfremde Menschen einladen, ein Stück des Weges mitzugehen. Einheimische, die nicht gegen Höchstgebot nach selbstgefälligen Kolonialherren und -damen suchen, die eine Region auf Zeit übernehmen wollen. Ich bin so ein Gast, der willens und fähig ist, sich auf örtliche Regeln einzulassen. Denn nur so schaffe ich (persönlich) im Urlaub den Wechsel vom routine-behafteten Alltag in neue, spannende Erlebniswelten. Und genau das suche ich!

Während des Schreibens dieses Textes habe ich mich übrigens dafür entschieden, heuer in einer versteckten, dafür umso gastfreundlicheren Ecke Südtirols meine Seele und meinen Körper zu pflegen. Für die Suche nach Ihrer Urlaubsdestination 2024 wünsche ich Ihnen viel Glück und gleich einmal eine erwartungsfrohe Zeit der Vorfreude auf erlebnisreiche Ferientage.

Salzburg, 4|2024 – Gerd

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