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KOMMENTAR | Content-ID: 161|01 | Autor: Gerd | Stand: 21.11.2024
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Adventzauber

Zwischen neuem und altem Testament

Endlich, es wird/ist Advent. Damit kehrt die Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit zurück in den Alltag. Es steigt die Vorfreude auf die Ankunft des Herrn ebenso rasend wie die Verfügbarkeit von heißem Alkohol entlang der Straßen und auf den Plätzen der Stadt. Schlagartig ist Frieden – zwar nicht auf Erden, zumindest aber in den Köpfen der Menschen. Die Wahrnehmung strandet an den Ausgängen der üppig geschmückten Weihnachtsmärkte und lässt alles Ungemach auf dieser Welt fern und unwirklich erscheinen. So, als wären die Kriege und Krisen an anderen Orten als bei uns zuhause die kollateralen Begleiter*innen unseres Wohlstands und unserer Glückseligkeit und damit zwar lästig, aber nicht bedrohlich.

So stelle ich mir auch die letzten Stunden von Sodom und Gomorra vor, wo die Leue noch vögelten und feierten, während am Horizont das Unglück ungeduldig auf die Abreise Lots wartete, bevor es tun durfte, was es tun musste. Auch wir, die Gomorrianer*innen der Jetztzeit, frönen gerade der fast unmäßigen Gier nach kollektivem Wohlstand, persönlichem Reichtum und nationaler Identität als vermeintlich ererbtes Recht unserer privilegierten ersten Welt. Die Kriege und Krisen der Gegenwart sind unsere Sache nicht – schon gar nicht während der Adventzeit. Es ist die Politik, die unser dralles Leben, unsere überzogenen Ansprüche und unsere ikonische Selbsterhöhung zu schützen hat. Nur tut sie es zurzeit nicht. Warum, fragen sich die einen. Wie auch, die anderen.

Es scheint, als steht, so wie vor allen bisherigen menschengemachten Katastrophen, wieder einmal unser Anspruchsdenken in Konkurrenz zum Selbstrettungsreflex. Egal ob Flucht, Kampf oder andere Strategien gefragt wären, grobes Ungemach abzuwenden – wir wollen nichts von alledem. Vielleicht erweist sich ja der Klimawandel mit seinen extremen Unwettern und atemraubenden Hitzeperioden doch noch als Fake. Oder das weltweite Aufrüsten und interkontinental steigende Aggressionspotenzial ist nur Theaterdonner. So wie die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die Nöte der Gesellschaft oder die Erosion unserer Zivilisation Gschichtln sind und keine wahren Begebenheiten sein müssen. Wir scheinen auch aktuell, so wie vor den beiden Weltkriegen und anderen globalen Krisen der Vergangenheit, wieder einmal auf Verdrängung zu setzen. Und zwar so lange, bis es kracht!

Dabei hätten wir es als Gesellschaft durchaus in der Hand, aktiv gegen die düsteren Zeichen unserer Zeit anzukämpfen. Besonders deshalb, weil Advent ist, und nicht trotzdem. Wer die Wochen der adventlichen Besinnlichkeit dem Wohl der Menschen und nicht nur dem eigenen widmet, kann kollektives Bewusstsein erzeugen. Dann, wenn die Herzen der Leute sperrangelweit offen sind, lässt sich auch eine Schubumkehr in deren Köpfen provozieren, die länger andauert als nur bis zur Sperrstunde des Weihnachtsmarktes. Dazu aber gilt es, voranzugehen, vorzuleben und Optionen anzubieten und nicht nur mit erhobenem Zeigefinger die Welt belehren zu wollen. Und genau das ist es, was ich mir für heuer vorgenommen habe. Klar, das Enkerl braucht Spielzeug unterm Christbaum. Die erwachsene Welt aber hat echte Versorgungslücken an Wertschätzung, Anteilnahme, klärenden Gesprächen und einem gemeinsamen Verständnis für die großen Herausforderungen unserer Zeit.

Warum nutzen wir nicht die kurze besinnliche Adventzeit, um uns als Familie, Gruppe oder gar als Gesellschaft neu aufzustellen und das drohende Schicksal von Sodom und Gomorra doch noch abzuwenden? Also ich wäre dabei!

Salzburg, 11|2024 – Gerd

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