Begleitetes Trinken

KOMMENTAR | Content-ID: 153|01 | Autor: Gerd | Stand: 25.7.2024
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Begleitetes Trinken

Von den Besten lernen.

In den letzten Tagen hat eine Initiative von Deutschlands Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Gemüter hochgehen lassen. Plant er doch glatt, ein Gesetz, das Jugendlichen ab 14 Jahren das Konsumieren von Alkohol im Beisein ihrer Eltern erlaubt, abzuschaffen. Ja, geht’s denn noch? Karl, was stimmt nicht mit dir? Soll jetzt auch noch die deutsche Leitkultur des Trinkens dem Wokeness-Wahn geopfert werden? Klar, gesund ist der Konsum von Alkohol in den frühen Jahren der Pubertät nicht gerade. Mit der erwiesen erhöhten Gefahr für die geistige und soziale Entwicklung der Jugendlichen jedoch gleich Panik-Stimmung zu erzeugen, ist jetzt doch etwas übers Ziel hinausgeschossen. Oder?

Ganz ehrlich, warum sollen die lieben Kleinen mehr Grips in die Birne bekommen, als es der Elterngeneration vergönnt war? Statistisch trinkt jede*r Deutsche über 15 Jahren pro Jahr rund 12 Liter Reinalkohol. Damit liegen die Nachbarn im internationalen Vergleich im Spitzenfeld. In Österreich sind es ebenso rund 12 Liter, übrigens ohne „begleitetes Trinken“. Trotzdem sollten die Eltern die Risiken frühen Alkoholgenusses kennen. Expert*innen sprechen von einer signifikant erhöhten Gefahr von Konzentrationsunfähigkeit und Intelligenzverlust. Darüber hinaus sind bei Burschen eine erhöhte Gewaltneigung im Rauschzustand und bei Mädchen mehr ungewollte sexuelle Kontakte dokumentiert. Trotzdem ist es in den Familienkreisen der Deutschen noch immer nicht angekommen, dass dagegen hilft, möglichst spät mit dem Alkoholkonsum zu beginnen.

Auch geht es um mehr als nur körperliches Wohlbefinden. Sozialer Frieden beginnt mit einer in Freundschaft geköpften Flasche Fusel, genauso, wie er bei der zehnten ebendort wieder endet. Da löst es kollektive Zustimmung aus, wenn in einem TV-Interview eine besorgte Mutter festhält, dass eine Konfirmation traditionell eben mit Alkohol begossen wird. In eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden, auch in jene des Herrn, impliziert in Deutschland nun einmal Trinkfestigkeit und Hangover-Routine. Ankommen in der Welt der Erwachsenen heißt auch, sich mit deren Ritualen auseinanderzusetzen und mitzumachen, wo’s geht. Und genau deshalb haben die deutschen Nachbarn dieses Gesetz erfunden. Es braucht den kontrollierten Einstieg Jugendlicher in ihre persönliche Alkohol-Karriere. Und wer soll ihnen das besser ermöglichen als ihre Eltern, die sich – wie bereits erwähnt – im Schnitt pro Jahr 10 Liter Reinalkohol hinter die Binde knallen?

Wenn das deutsche Magazin „Der Spiegel“ in einem Beitrag vom 12.7.2024 sogar von „betreutem Trinken“ für Jugendliche spricht, wird das Dilemma der deutschen Erwachsenenwelt in dieser Causa erst richtig sichtbar. Auf der einen Seite soll den Jugendlichen ein verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol frühzeitig vorgelebt werden. Auf der anderen Seite ist „erwachsener“ Umgang mit Alkohol nicht per se verantwortungsvoll (siehe weiter oben). Wenn sich jedoch die unvermeidliche Krise zwischen Pubertierenden und Eltern dadurch vermeiden lässt, den Jugendlichen all das zu erlauben, was daheim eskaliert, beginne ich das Gesetz zu verstehen. So lässt sich der Nachwuchs tatsächlich für die alkoholische Familientradition begeistern, ohne endlose Diskussionen führen zu müssen. Und wo die Eltern nicht voran-prosten, sorgt Gruppendruck für den nötigen Lernerfolg.

Dann aber würde es Sinn machen, Jugendschutz allgemein lockerer zu handhaben: Saufen ab 14, ebenso wie sexuelle Aktivitäten erlauben, wenn Erwachsene anwesend sind, und Kiffen, sobald ein Joint bzw. eine Tschik in der Runde ist. So würde der Nachwuchs schon früh das erlernen, was wir Erwachsenen ihnen tagtäglich vorleben. Aber, ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher. Wäre es nicht doch zielführender, mit einem guten Gesetz in Zusammenarbeit mit engagierten Eltern und Bezugspersonen Jugendliche vor unliebsamen Erfahrungen und langfristigen Schäden zu schützen? Und zwar ohne sie zu sehr zu bevormunden. Vielleicht hat Herr Lauterbach ja recht, wenn er „begleitetes Trinken“ ab 14 Jahren in Deutschland abschaffen möchte. Und auch in Österreich sehe ich den Bedarf, die neun Landes-Jugendschutzgesetze in einem einzigen bundesweiten zusammenzuführen. Vor allem aber gehört klargestellt, dass der Konsum von Alkohol kein Kulturgut ist – also nichts, was die Eltern ihren Kindern als Tradition weiterreichen müssen.

Salzburg, 7|2024 – Gerd

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