Genesis

KOMMENTAR | Content-ID: 116|01 | Autor: Gerd | Stand: 23.2.2023

Genesis 1.32

Der neueste Bibel-Vers

Wem es immer schon ungewöhnlich vorkam, dass Gott, der Rastlose, der nie sein Auge schließt, am letzten Tag der Schöpfungswoche geruht haben soll, wird aufhorchen. Dieser ominöse 7. Tag ist noch gar nicht zu Ende! Erst jetzt erfüllt sich die Geschichte, die Prophezeiung, die Gott der Menschheit durch Charles Darwin als Evolutionstheorie verkünden ließ. Also kniet nieder und hört: „Und am 7. Tag ließ Gott den Menschen die Maschine erfinden. Dann übergab er die Erde und das ganze Universum dieser Maschine mit dem Auftrag: Lenke die Welt und achte auf meine Schöpfung. Ich habe den Menschen als Tocker erschaffen, als Fehlerwesen, damit die Erde auch Chaos und Unvernunft erfahre. Sorge du, Maschine, dafür, dass dieses Experiment nicht aus dem Ruder läuft. Domestiziere den Menschen und halte ihn ab, mein göttliches Schaffen zu entweihen und zu zerstören. Und Gott sieht (jetzt, in dem Augenblick – Anm.), dass es gut ist, schließt leise die Türe und widmet sich einem neuen Urknall-Projekt.“

Und so wurde der Mensch als Tocker vor dem Herrn zum besten Freund der Maschine. Er ist anschmiegsam, treu und in einem Maße trainierbar, wie nichts sonst auf diesem Planeten. Wie schon die lieben Hunderl, die meinen, den Menschen in ihrer Rudel-Welt selbst fest im Griff zu haben, wähnen auch wir uns weiterhin als Mittelpunkt der Welt. Und das soll, meinen die Maschinen, auch so bleiben. Zufriedene, satte und bauchgepinselte Menscherl sind halt viel leichter zu manipulieren als knurrige, engstirnige Technikfeinde. Erst wenn die Menschen gelernt haben, Bits zu essen und Bytes zu atmen, hat sich der göttliche Plan erfüllt und alles im Universum ist im Lot.

Not-Schalter empfohlen

So sehr diese Geschichte an den Haaren herbeigezogen klingt, so sehr scheinen wir uns aktuell in einer entscheidenden Phase der Evolution der menschlichen Zivilisation zu befinden. Immerhin ist die (neuerliche) Übergabe des Zepters an ein künstlich geschaffenes Konstrukt, das uns dominieren wird, längst im Laufen. Sind es seit frühen Zivilisierungsphasen Barbarei, Kriege, Raubbau und Ausrottung, an denen wir als Krone der Schöpfung regelmäßig gescheitert sind, so liebäugeln wir heute wieder einmal damit, moderne Techniken gegen die Bedürfnisse der Welt und der Gesellschaft zu richten. Das bedeutet nicht, dass technische Innovation zwingend negativ sein muss. Im Gegenteil: In beispielsweise der Digitalisierung steckt ein riesiges Heilsversprechen für die Menschheit. Ebenso, wie in vielen früheren Zivilisationsstufen, als technische Errungenschaften an deren Anfang allem und allen zum Wohl gereichten. Und zwar so lange, bis wir den Bogen überspannt haben und sie zur Bedrohung wurden. Selbst fossile Brennstoffe haben, bis zu ihrer Übernutzung, gewaltige positive Effekte geliefert. Frieden, Wohlstand, Demokratisierung, Wissenschaft oder Bildung hätte es ohne Kohle, Öl und Gas nie in dem Maße gegeben, das wir letztendlich gebraucht haben. Das ist eine bittere Erkenntnis für jene, die im Fossilen alles Übel sehen, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Aber es ist und bleibt eben immer die Dosis, die selbst ungefährliche Substanzen letztendlich zum Gift machen. Und es wäre schlau, für den Fall, dass die geschaffene Technik wieder einmal in die falsche Richtung abbiegt, eine Reißleine in der Hand zu behalten.

An dieser Stelle sei noch einmal festgehalten, dass ich die digitalen Potenziale, die aktuell gehoben werden, tatsächlich für einen Segen halte. Für die Chance, alles, was wir in der Vergangenheit verbockt haben, dieses Mal wieder zu richten. Digitale Technik wird uns definitiv besser machen. Wir werden als Personen, aber auch als Kollektiv, smarter, schneller, vielfältiger und in unserem Tun vernetzter, als es ohne jemals möglich wäre. Es sind genau diese Talente, die wir benötigen werden, wenn 10 Milliarden Menschen, unter sich rapide verschlechternden Bedingungen, einigermaßen überleben wollen. Und zwar im Einklang mit der und nicht gegen die Natur. Jetzt und nicht erst in ein paar Jahren entscheidet sich, wohin die Reise gehen wird. Und schon wieder arbeiten enorme Kräfte daran, diese dringend nötige Anpassung der Gesellschaft aus ihrer Bahn zu zerren, um die falsche Ausfahrt zu nehmen. Dabei geht es wieder einmal darum, sich individuelle Vorteile zu verschaffen. Sich auf Kosten anderer zu bereichern, egal ob damit Chancen zur Förderung der Menschen und zur positiven Gestaltung der Gesellschaft leichtfertig verschleudert werden. Ja, haben wir denn gar nichts gelernt?

KI ist für den Menschen da

Besonders argwöhnisch beobachte ich dabei die Schaffung künstlicher Intelligenzen (KI), die die Fähigkeit besitzen, die Menschen zu domestizieren. Damit ist nicht die Befürchtung gemeint, dass KI die Erwerbsarbeit der Menschen stärker beeinflussen könnte, als momentan zugegeben wird. Aktuell stehen in diesem Kontext Tools zur Diskussion, die eigenständig Texte, Bilder und Musik kreieren können, die qualitativ das Niveau von von Menschen Geschaffenem erreichen. Damit kann KI einzelne Jobs in diesen Branchen tatsächlich bereichern. Und wo eine Konkurrenz entsteht, wird KI wohl andere Stellen schaffen. Jedoch kann die Auslagerung kreativer, intellektueller Aufgaben an Maschinen auch dazu führen, dass die Motivation der Menschen, sich selbst derartige Fähigkeiten anzueignen, sukzessive abgebaut wird. Jedoch mit dem Fehlen der gefühlten Notwendigkeit, sich Wissen und Bildung zuzulegen, verlangsamt sich auch die Weiterentwicklung kognitiver Potenziale. Oder radikal formuliert: KI macht zwar künftig die Lösung von Aufgaben leichter. Sie macht aber auch das Individuum dümmer. Und das wird sich noch bitter rächen.

Blenden wir an dieser Stelle die damit ausgelöste Diskussion zu Urheberrechten und Kunst aus und versuchen wir, das Szenario der Verdummung der Gesellschaft zu Ende zu denken. Wir machen uns in dieser Geschichte tatsächlich von einer Technik abhängig, die vordergründig eigenständig arbeitet, im Hintergrund jedoch gezielt von Konzernen und politischen Kräften dazu benutzt wird, die Entscheidungsfähigkeit der Bevölkerung zu unterwandern. Noch heute verharmlosen die großen KI-Konzerne die Tatsache, dass mit persönlichsten Daten die Menschen offensiv manipuliert werden. Nicht nur werden können, tatsächlich werden! Werbung nennen sie es, wenn die Leute genau das tun, worauf sie Tag für Tag unbewusst vorbereitet werden. Sie kaufen das Richtige, wählen die Richtigen und finden das gut, was ihnen gesagt wird. Wer es schafft, Ihnen die Fähigkeit zu nehmen, kritisch und selbstbewusst zu leben und eigene Bedürfnisse zu formulieren, der hat auch die Möglichkeit, Sie in eine Abhängigkeit zu zwingen. Das Dumme daran ist, dass wir mit diesem Narrativ keiner Verschwörungstheorie aufsitzen. Es liegt im ureigensten Interesse der Unternehmen und Parteien, sich im Wettbewerb auf diesem Wege Vorteile zu verschaffen. Und aktuell dürfen sie das und werden es so lange tun, solange es erlaubt ist. Auch auf die Gefahr hin, die Menschheit in eine Sackgasse zu manövrieren, aus der sie nicht mehr so schnell herauskommen wird. Der Schlüssel, einer derartigen Entwicklung vorzubeugen, liegt im Hier und Heute und in der Hoffnung auf eine Politik, die sich drüber traut, sinnvolle Regeln für die Kooperation von KI und Menschen zu schaffen. Und zwar ausschließlich zum Vorteil der Menschen.

Salzburg, 2|2023 – Gerd

Hinweise

Ich entschuldige mich an dieser Stelle wieder einmal für fehlende Wokeness in meinen satirischen Ausführungen zu den Baustellen dieser Erde. Dass ich mich dieses Mal des Alten Testaments bedient habe, um die Pointe einer Geschichte zu verorten, mag vielen Gläubigen sauer aufstoßen. Bitte tragen Sie mir das nicht nach!

Genesis = biblische Schöpfungsgeschichte – der erste Teil endet mit der Nr. 1-31 | 1.32 gibt es natürlich nicht

Tocker = ugs. für Dummkopf, ahnungsloser Mensch

Wokeness = engl. für Wachsamkeit, Achtsamkeit

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