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Content-ID: 109|01 | Autor: Gerd | Stand: 17.11.2022

Jetzt geht’s los

Gute Miene zum bösen Fußball-Spiel

Ab sofort übernimmt wieder König Fußball das Kommando. Zumindest für jene, denen das tägliche Krisen-Gedöns in den Medien zum Halse heraushängt, gibt es gute Nachrichten. Für die Fans stehen einen Monat lang wieder die Dramen vom Elfmeterpunkt, hundsgemeine Grätschen und das Dauer-Versagen des VAR ganz oben auf der Konversationsliste. Es wird sein, als würden die Klimakrise, der Ukraine-Krieg oder die kränkelnde Wirtschaft gnädig Pause machen. Klar, das tun sie natürlich nicht, die Krisen. Im Gegenteil: Nur weil der Krieg im Winter leiser dröhnt und die magere Bilanz von COP27 erst verdaut werden muss, dreht sich das Katastrophen-Karussell nicht langsamer. Ich würde es daher verstehen, wenn sich Menschen, denen der krisenbedingte Dauerdruck an die psychische Substanz geht, eine Pause beim Sport gönnen wollen. Aber etwas passt da nicht. Irgendwas am FIFA-Katar-Fußball-Deal stinkt mächtig zum Himmel.

Es ist nicht so, dass ich den Fans des Ball-Tretens nicht etwas Atempause von den realen Dramen dieser Welt gönnen würde. Auch ich fiebere ab und an mit den Stars der Szene beim Dribbeln, Grätschen und Stellungsspielen mit. Da kommt ein Spektakel wie eine WM gerade recht, um im Soge der Besten der Besten der Besten des Fußballsports Abstand von den Herausforderungen des Alltages zu gewinnen. Gerade weil Sport, zumindest Gerüchten zufolge, fair, völkerverbindend und unpolitisch sein soll, wäre er der ideale Wellnessort für unsere geschundenen Seelen. Leider aber liegt die Betonung auf „sein soll“. Denn in Zeiten wie diesen kann von sauberen Machenschaften in und rund um den Spitzensport keine Rede sein. Dabei sind am allerwenigsten die Protagonist*innen selbst die Täter*innen, die die Plattform Sport für üble Machenschaften missbrauchen. Es ist das Netzwerk rundherum, das Events dieser Größenordnung schamlos für eigene Zwecke missbraucht. Meist sind es Länder, die sich um die Ausrichtung einer Großveranstaltung bewerben, und die Welt-Sportverbände, die ihnen den Zuschlag geben. Zwischen denen fließt üblicherweise Macht und Geld. Jedoch das nicht immer auf saubere, transparente Weise.

So sind schon etliche Projekte massiv in Verruf geraten, gegen Recht und Moral durchgedrückt worden zu sein. Viele werden sich an die Olympischen Spiele in China oder Russland, die Formel 1 in Saudi-Arabien oder Tennis in Katar erinnern. Dass diese Länder überhaupt auf die Terminkalender für Sport-Megaevents kommen, kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Auch bei der Fußball-WM in Katar wird wieder offen von Korruption und Manipulation in ganz großem Stil gesprochen. Und davon, dass im Veranstalter-Land nicht nur runde Leder-Imitate, sondern auch Menschenrechte und demokratische Grundregeln mit Füßen getreten werden. Auch wenn für alle Involvierten und Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt: Es ist schon erdrückend, was von Insider*innen, Medien und Betroffenen an Anschuldigungen an die FIFA, den Staat Katar und die internationale Führungselite in den Ring geworfen wurde (siehe Link-Tipps).

Dabei werden Korruption und verletzte Menschenrechte irgendwann hoffentlich auch gerichtlich geahndet, sollte es eine ambitionierte Aufklärung der Sachverhalte geben. Viel schwerer aber wiegt das demonstrative Wegsehen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weltweit, wenn es um Reaktionen auf die offensichtlichen Verstöße rund um die WM geht. Es ist dabei egal, ob die Fans oder die Spitzen der Gesellschaft wegen der anhaltenden Krisen müde sind und sich einige Tage Fußball pur gönnen wollen. Oder dass Katar am längeren Ast sitzt, da es über die WM hinaus um zwischenstaatliche politische Erpressung, Gas-Verträge, Lieferketten und Waffen-Deals geht. Es passt einfach nicht zu jenen gutmenschlichen Politiker*- und Kritiker*innen aus dem Rest der Welt, sich trotz hoher Moralansprüche murmelnd durch die Geschichte zu mogeln. Auch nicht, wenn es im medialen Scheinwerferlicht das Image eines an sich fairen Sports und internationaler Einigkeit zu erben gibt.

Bekanntlich ist es müßig, sich über vergangene Fehler zu echauffieren. Außer es dient dazu, für die Zukunft zu lernen. Daher fordere ich …

  • … die internationalen Sport-Verbände auf, Events nur bei Erfüllung aller Kriterien des Menschenrechts zu vergeben. Nur zur Erinnerung: Es geht um die gleichen Rechte für ALLE Menschen inklusive der freien Äußerung der Meinung, der Freiheit der Justiz und Medien, des Zugangs zu Lebensnotwendigem, zur Gesundheitsversorgung und zu Bildung u.v.m.
  • … die internationalen Sportverbände auf, Bestechung, Korruption, Manipulation und Intransparenz in den eigenen Reihen zu unterbinden.
  • … die Länder weltweit auf, Sport nicht für „Washing“ jeglicher Art zu missbrauchen. Weder für „Greenwashing“ noch für Imagekorrekturen für menschenverachtende Politik.
  • … die Länder weltweit auf, Staaten zu sanktionieren, die trotz Zuschlages für die Ausrichtung großer Sport-Events ungeeignet erscheinen. Dafür steht mit Boykotten, Ersatz-Events, Diplomatie oder wirtschaftlichen Sanktionen eigentlich ein gutes Tool-Set zur Verfügung.
  • … die Sportler*innen auf, die unschuldig in einen Gewissenskonflikt getrieben werden, ihren Job trotzdem mit Freude und voller Energie zu erledigen. Es liegt nicht an euch, wenn das Event, an dem ihr gerade teilnehmt, in Verruf gerät. Passt nur auf, dass ihr persönlich nicht für dunkle Zwecke missbraucht werdet.

In diesem Sinne: Viel Spaß und Erfolg bei der bevorstehenden WM.

 

Salzburg, 11|2022 – Gerd

Fakten-Kiste - die wichtigsten Kritikpunkte

Folgende Vorwürfe wurden seitens NGOs und unabhängigen Beobachter*innen bzw. Medien Katar und der FIFA im Umfeld der bevorstehenden WM gemacht. Beide dementieren – daher gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

  • Bei der Vergabe der WM durch die FIFA soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben.
  • Um trotz Widerstandes die WM zu behalten, sollen Spitzenfunktionäre der FIFA bespitzelt und manipuliert worden sein.
  • Bei der Errichtung der Sportstätten sollen bis zu 15.000 Arbeitskräfte tödlich verunglückt sein. Es werden desolate Arbeitsbedingungen dafür verantwortlich gemacht.
  • Die meist ausländischen Arbeitskräfte wurden lt. NGOs ähnlich Sklaven beschäftigt und untergebracht und mit Hungerlöhnen, sofern sie überhaupt ausbezahlt wurden, abgespeist.
  • Der angekündigte „Green Event“ soll lediglich ein Marketing-Gag sein. Die Klimabilanz der WM wäre hingegen bereits vor dem Anpfiff desaströs.
  • Katar gilt als autokratisch geführter Staat mit erheblichem Aufholbedarf bei der Gewährung von Menschenrechten. Insbesondere sollen freie Meinung allgemein und nicht regierungstreue Medien massiv unterdrückt werden.
  • Katar soll zudem als Anbieter fossiler Energie gegen die Preisbremse für z.B. Gas opponieren und zudem den weltweiten Ausstieg aus Öl und Gas gezielt bremsen.
Hinweise

Für alle in nebenstehendem Kommentar genannten Personen, Institutionen und Länder gilt die Unschuldsvermutung. Auch dann noch, wenn es verdammt schwerfällt, trotz erdrückend glaubwürdiger Indizien keine Missstände zu mutmaßen.

VAR = Video Assistant Referee = VideoSchiedsrichterassistent

COP27 = 27. Klimakonferenz in Ägypten, November 2022

FIFA = Welt-Fußballverband

Greenwashing = sich ungerechtfertigt ein grünes Image zu verpassen

Tool-Set = Werkzeugkoffer

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