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Content-ID: 089|01 | Autor: Gerd | Stand: 14.4.2022

Just do it!

Die Zukunft nachbauen können

Haben Sie jemals eine Vision wahr werden lassen? Ein für Sie wichtiges Projekt umgesetzt, das dringend sein musste? Vor allem aber, wie sind Sie dabei vorgegangen? Die einen brauchen dazu traditionelle, erprobte Lebensentwürfe, Detailpläne und jede Menge Listen. Die anderen folgen einem inneren Film und „lassen“, besser noch „machen“, die Zukunft wachsen. Ich selbst bin wieder einmal draufgekommen, dass beides in mir steckt. Einerseits der Nerd, der Ursachen, Wirkungen, Kosten und Nutzen im Auge behält, um optimal zu wirken und Risiken zu bannen. Genau das erwarten meine Projektkund*innen, wenn sie ihr Schicksal an meine Expertise auslagern. Und andererseits ein Macher. Jemand, der sieht, riecht und fühlt, wie es dort ist, wo es letztendlich hingehen soll. Der eine derart klare Vorstellung von der Zukunft entwickeln kann, um sie dann, aus dem Stegreif, nachzubauen. Welcher Typus aber sind Sie, wenn Sie Herzensangelegenheiten und Lebensprojekte in Angriff nehmen?

Irgendwie ergibt sich alle paar Jahre die Gelegenheit, große Projekte aus dem Bauch heraus in die Realität zu holen. Nämlich dann, wenn der Aufgabenstellung und der Dimension des Vorhabens keinerlei Erfahrungswerte zugrunde liegen. Und natürlich, wenn die Vision selbst, also das Ziel der Anstrengung, ein „Musthave“ für den inneren Frieden und die persönliche Befindlichkeit darstellt. So wuchs mein Beitrag zur Flüchtlingssituation 2015 schnell über das organisationale Angebot hinaus. Aus „meinem einen“ Flüchtling wurden damals schnell um die 50 (inkl. Familien sogar rund 100) Betroffene. Umgesetzt habe ich dabei oft Neues, durchaus aber mit teils großer Wirkung. Deutsch haben wir anhand der Informationsbedürfnisse der Asylwerber*innen gebüffelt. Sie glauben nicht, wie intensiv gelernt wird, wenn das Asylinterview, die Wohnsituation, der Familiennachzug u.v.m. in Grammatik- und Wortschatz-Übungen vorkommen, anstatt Palatschinken und Blumenwiesen. Als Begleitung beim Asylinterview stand ich, anders als üblich, auch als Zeuge für ein Berufungsverfahren zur Verfügung. Oder ich habe als Sprachrohr für die Betroffenen gegenüber den landesüblichen Zentren der Bürokratie gedient. Möglich war das alles, weil ich gemeinsam mit den Flüchtlingen der Vision einer dynamischen Organisation der Leistung eine Chance gegeben habe. Und es hat mehrere Jahre lang blendend funktioniert!

Heute schreibe ich diesen Beitrag, weil ich kurz davorstehe, meiner Frau ihren (und damit unseren) Traum eines Gemeinschaftsgartens erfüllen zu können. Nicht die Vision kollektiven Säens und Erntens – das bleibt ihre Baustelle. Dafür aber eine funktionelle Infrastruktur, die darauf wartet, gestaltet und bepflanzt zu werden. Ausgang war ein braches Stück „G’stätten“, auf dem jetzt umzäunte Einzel-Beete, ein Regenwasser-System, Blühstreifen, eine Kompost-Infrastruktur, Kollektiv-Beete und Natur-/Totholz-Zäune der Inbetriebnahme harren. Und das alles in Einvernehmen mit den Rehen und anderen Wildtieren, mit denen wir auch künftig diese Fläche teilen wollen. Einziges Planungstool war ein DIN-A3-Scribble und ein innerer Film, in dem nachzusehen war, wie es letztendlich werden sollte. Es war wie eine Virtual Reality, nur ohne technische Hilfsmittel. So wurde eingekauft, abgesteckt, gebuddelt, gesägt, gehämmert und geschraubt, bis ein großes, funktionierendes Ganzes geschaffen war. Und dieses wiederum gleicht tatsächlich jener Vision, die schon in den ersten Gesprächen fast greifbar im Raum geschwebt war. Bemerkenswert dabei ist, dass es gelungen ist, dieses durchaus komplexe Projekt als Ein-Mann-Bau-Vorhaben hochwertig umzusetzen. Ohne handwerkliche Vorkenntnisse und gestalterische Erfahrung.

Das macht mich jetzt nicht zum gefragten Heim- und Garten-Werker. Im Gegenteil: Ich habe jetzt einmal genug von blutigen Kratzern, eingezogenen Schiefern und Muskelkatern. Es zeigt jedoch, wie kraftvolle und realistische Visionen unsere Zukunft beeinflussen könne. Es zahlt sich aus, zu träumen und gedanklich in jene Tiefe zu gehen, in der selbst gestaltbare Zukunft konkret wird. Alle, die sich ihrem Traum einer besseren Welt hingeben können, also einen inneren Film entwickeln, haben ein machtvolles Werkzeug in der Hand, etwas zu verändern. Sich vorher vorstellen zu können, wie es hinterher aussieht, sich anfühlt oder riecht, ist eine Gabe, die in jedem bzw. jeder von uns steckt. Nicht jedes Projekt, das dabei entsteht, wird auch Realität werden (können). Auch ich habe schon wichtige Vorhaben in den Sand gesetzt oder zumindest auf einer längeren Bank liegen, als mir lieb ist. Wenn Sie aber mit geschlossenen Augen durch ihre Vision gehen und gedanklich auf alle Details und hinter jedes Eck blicken können, sind Sie auf dem besten Weg. Nutzen Sie diese Art des „projektmanagement by vision“ als kreativen Urknall, um Zukunft zu machen. Ich selbst werde diese Erfahrungen jetzt wieder verstärkt im beruflichen Alltag nutzen, um Innovation zu fördern und Neues zu erkunden. Ich rate Ihnen dabei – von Profi zu Profi – den „Raum des Möglichen“ für Ihre Zukunft auszuweiten und gedanklich voll zu nutzen. Vergessen Sie aber bitte nicht, irgendwann auch mit der Umsetzung Ihres Vorhabens zu beginnen. Egal, ob sie dann einen detaillierten Plan gezeichnet haben oder sich agil von Meilenstein zu Meilenstein weiterentwickeln: Just do it!

Salzburg, 4|2022 – Gerd

Hinweise

G’stätten = umgangssprachlich für verwahrloste Grundfläche

Scribble = Grobentwurf einer Zeichnung bzw. eines Planes

Linktipps

Link: www.projektklinik.at »

Link: www.projektanfrage.at »