Klickverbot

KOMMENTAR | Content-ID: 120|01 | Autor: Gerd | Stand: 20.4.2023

Klickverbote

Cybercrime hat wieder Saison!

Es sieht so aus, als kämen mit Frühlingsbeginn wieder die dunklen Mächte der virtuellen Welt ans Tageslicht gekrochen. Gut ausgeruht, hungrig und skrupellos auf der Jagd nach allem, was unbescholtenen Menschen so abzuluchsen ist. Die Mail-Accounts füllen sich wieder mit Spam, es wird hemmungslos nach Kontodaten und Passwörtern „gephisht“ und das Viren-Programm schreit bei jeder 3. Seite, über die auf der Jagd nach Schnäppchen und guten Gelegenheiten gesurft wird. Kein Wunder, wenn sich die Warnungen vor kriminellen Bedrohungen ebenso mehren wie die Medienberichte, dass die Täter*innen erfolgreich waren. Allein die Tatsache, wieviel Geld im Besitz der Menschen in Österreich sein muss, um derart riesige Beträge ergaunern zu können, macht endgültig klar, dass es sich bei Cybercrime um einen lukrativen Geschäftszweig handelt.

Aber wer kennt nicht einen wie Tim. Den netten Anwalt aus einem afrikanischen Staat, der Sie nach langer Recherche endlich gefunden hat, um Ihnen 5 Millionen Dollar zukommen zu lassen. Jenes Geld, das Ihr Onkel, von dem Sie bis dato nichts geahnt hatten, hinterlassen hat. Klar wissen Sie, dass Ihr Opa in jungen Jahren ein rechter Schlawiner gewesen sein muss. Dass er aber von Rauris aus quer durch Afrika getingelt war, um einen tüchtigen, später sehr erfolgreichen Geschäftsmann zu zeugen, ist selbst Ihnen neu. Aber was soll‘s? Geld kennt keine Scham und wenn’s der Herr so wollte, soll er überweisen. Vielleicht besuchen Sie ja als reicher Mann einmal das Grab des Onkels, bevor Sie mit den Millionen auf die Seychellen weiterjetten. Vorher nur noch die 30.000 Dollar überweisen und damit die Rutsche für das Geld nach Österreich legen. Einfach geil! Vielleicht kommt ja die Kohle rechtzeitig, um mit Herta, der Nachbarin, und ihrem neuen Verlobten gemeinsam die Reise anzutreten. So ein Glück aber auch. Immerhin ist der Kerl, auf den Herta da im Internet gestoßen ist, ein pensionierter amerikanischer General, der lange in Afrika stationiert war. Jetzt hat er 5 Millionen Dollar geerbt. An die kommt er aber nur heran, wenn er die Gerichtskosten in Höhe von 30.000 Dollar rasch bezahlen kann. Man muss schon wissen, dass amerikanischen Elite-Soldaten erst nach einem Jahr Ruhestand in den Genuss ihrer Abfindung kommen. Mein Gott, wäre da nicht Herta, das Geld wäre futsch und die Nachbarin müsste wahrscheinlich noch auf ewig mit Taugenichtsen aus der Bahnhofskneipe busseln, um unter Leuten zu sein. Also Lotto ist ein Lärcherl dagegen, das echte Glück kommt unvermutet und meist von ganz links hinten …

Die Gegenfragen

Als Marina kürzlich bei mir anrief, war ich recht gestresst und hatte mir, noch vor dem Abheben, fest vorgenommen, das Gespräch ein nur kurzes werden zu lassen. Marina ist die emsige Mitarbeiterin eines heimischen Umfrageinstitutes, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Aber als sie mich mit verführerischer Stimme und in abgrundtief schlechtem Deutsch bat, doch einige Fragen zu meinem Urlaubsverhalten zu beantworten, konnte ich nicht anders. Ich fragte zurück, warum sie das täte. Warum sie als Kriminelle arbeitet und versucht, fremden Menschen das Geld zu stehlen? Und was sie ihren Kindern erzählt, wenn sie nachhause kommt. Ob die Kleinen wüssten, dass ihre Mutter ein schlechter Mensch ist und anderen großen Schaden zufügt. Und ob sie plant, auch den Kindern das Stehlen beizubringen? Irgendwie ist es mir gar nicht aufgefallen, aber ich hatte das Gespräch schrittweise ins Englische verlegt und trotzdem das Gefühl, gut verstanden worden zu sein. Das waren natürlich alles Schüsse ins Blaue, da ich ja nicht wissen konnte, ob sie überhaupt Mutter war oder in krimineller Absicht angerufen hatte. Zudem hatte ich erwartet, dass Marina schon früher auflegen würde. Aber erst jetzt hörte ich, dass sie am anderen Ende leise zu weinen schien. Und als ich eine Frage-Pause einlegte, kam noch ein letztes Schniefen und ein ganz scharf gepresstes „fuck you“ bei mir an, bevor sie auflegte. Und mit einem Mal war der sich auftürmende Triumph wie weggewischt. Klar, ich wollte nicht bestohlen werden und werde das auch künftig zu verhindern wissen – hoffentlich. Es ist mir aber dann ein älterer Medienbeitrag eingefallen, in dem beschrieben wurde, wie sehr selbst Cybercrime-Unternehmen in der Welt der Wirtschaft, wie wir sie kennen, angekommen waren. Bei den guten Betrieben gibt es Büros, Gehälter, Urlaube, Versicherung und Sozialleistungen. Bei den schlechten Firmen Ausbeutung, Erpressung und körperliche Gewalt. Und plötzlich war ich traurig und sendete Marina gedanklich noch die besten Wünsche dorthin, wo auch immer sie sich gerade befand. Möge sie nur Täterin und nicht auch Opfer sein. Dass sie, wann immer sich die Gelegenheit bieten möge, abspringen kann aus diesem Geschäft. Und ich unterstellte ihr, nein, ich wünschte mir regelrecht, dass sie auch abspringen möchte.

Bleibt noch, dringend davor zu warnen, dass alles, was unvermutet im World Wide Web an unglaublichen Geschäften auftaucht und nach dem Drehbuch eines Sonntagsnachmittagsfilms klingt, gefährlich ist. Halten Sie dann bitte Ihre Daten unter Verschluss, die Beine zusammen, die Augen offen und die Ohren steif.

Salzburg, 4|2023 – Gerd

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