KOMMENTAR | Content-ID: 156|01 | Autor: Gerd | Stand: 12.9.2024
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Richtungswahl 2024
Demokratie am Scheideweg
Es fühlte sich an wie ein Zeichen von oben, als mir kürzlich die neueste Ausgabe des Magazins FUTURZWEI aus dem Briefkasten entgegenlächelte. Zumindest bildete ich mir ein, dass sie lächelte. Denn wäre ein Druckwerk überhaupt fähig zu einer derart vermenschlichten Geste, würde FUTURZWEI eher besorgt, vielleicht sogar bestürzt, dreinblicken denn freundlich und aufmunternd. Es könnte jedoch auch daran gelegen haben, dass diese Ausgabe mit dem Generaltitel „Wer ist das Volk?“ mir so kurz vor der österreichischen Nationalratswahl wieder etwas an Orientierung zurückgegeben hat. Nämlich jenes politische Grundverständnis, welches die Menschen in den Mittelpunkt einer Demokratie rückt, nicht Parteien, Ideologien oder Spitzenkandidat*innen.
Es steht für mich Ende September tatsächlich die Demokratie als ideale Staatsform für Österreich auf dem Prüfstand. Und zwar weit über den Kampf gegen den Rechtspopulismus und die Verhinderung der FPÖ als Kanzlerpartei hinaus. Denn seien wir uns ehrlich: Dass wir jetzt gegen den Zulauf zu antidemokratischem Ideengut kämpfen müssen, ist maximal das Symptom einer Ursache, die sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft längst eingenistet hat. Nämlich die kultische Selbsterhöhung der eigenen Person/Partei bzw. Wertewelt zur vermeintlichen Allzweckwaffe gegen alles Unbill hinter und vor der Haustür jeder bzw. jedes Einzelnen.
Diese „Wer nicht für mich ist, hat’s nicht verstanden“-Haltung verleitet aktuell dazu, unsere nur mehr vordergründig liberale Demokratie auf den Führungsanspruch einer parlamentarischen Mehrheit zu reduzieren. Mit dem Ergebnis, dass die Rechte und Bedürfnisse nicht unbeträchtlicher Teile unserer Gesellschaft hintangestellt werden. Im besten Fall durch unbeirrtes Besserwissen um die vermeintlich richtigen Lösungen und das Diktat ebendieser. Im schlechtesten Fall durch Führer*innen-Kult und ein Abgleiten in autokratische Strukturen. Für mich ist nichts davon akzeptabel. Es verhindern nämlich beide den so dringenden Ausgleich der Interessen aller innerhalb der Gemeinschaft der Menschen im Lande.
(Miss)versteht man „Volk“ nicht als nationalistische Abgrenzung zu „anders Seiendem“, sondern als Summe der Bedürfnisse und Ziele aller Personen innerhalb eines Lebens- und Rechtsraumes, kann auch gelebte Demokratie zu mehr werden als nur zu einem ständigen parlamentarischen Abschmettern ungelegener Denkansätze. Stellen Sie sich vor, wie kraftvoll Demokratie wäre, würden alle Menschen von den jeweils anderen als gleichwertig akzeptiert. Klar wären auch dann noch Auseinandersetzungen um eine „beste Lösung“ zu einzelnen Problemstellungen nötig. Ebenso wie Kompromisse, gegenseitiges Verständnis oder das Vertrauen in die Lösungskompetenz des Schwarms. Es war aber noch nie der Diskurs selbst eine Gefahr für Demokratien, sondern immer die Angst der Politiker*innen, im Wettstreit der Argumente zu unterliegen.
Auf die Verlängerung dieses Formats der „vorgetäuschten“ Demokratie aber steuern wir in Österreich bei den kommenden Wahlen wieder zu. Nämlich, dass demokratisch, also vom Volk gewählte Politiker*innen eben dieses Volk nur selektiv zu repräsentieren gedenken. Regieren in einer Demokratie bedeutet hingegen mehr. Es geht um die Fähigkeit, die laufende Entwicklung der Gemeinschaft vieler Individuen moderieren zu können, ohne ständig zu bevormunden oder auszugrenzen. Jedoch, bei meiner Seel‘, das traue ich (seit einigen Jahrzehnten) keiner der wahlwerbenden Parteien mehr zu. Und weg ist er wieder, der positive Impuls vom Auspapierl’n der neuen FUTURZWEI.
Salzburg, 9|2024 – Gerd
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