Sommerpläne

Content-ID: 097|01 | Autor: Gerd | Stand: 7.7.2022

Sommerpläne

Urlaub, wie er früher einmal war

Wie wird wohl Ihr Sommer 2022 werden? Ich für mich kann mir schon gut vorstellen, wie meiner werden wird. Nämlich gar nicht so viel anders als frühere Sommer vor Corona, vor der Inflation und vor dem Krieg. Das mag auch daran liegen, dass wir uns auch heuer in einer Inter-Corona-Phase befinden. Das heißt, nach einer Ansteckungswelle und damit auch gleich wieder vor einer neuen leben. Da bleibt tatsächlich wenig Gelegenheit, Freiheit anders zu definieren als früher. Und es locken uns die gleichen Angebote wie früher. Wenn auch mit neuen, noch unglaubwürdigeren Versprechungen als damals. Die Urlaubswelt ist nicht klimafreundlicher, sozialer, fairer oder gar innovativer geworden. Unterm Strich reduziert sich auch heuer wieder die Ferien-Branche über die drei bekannten Säulen: anliefern, einhegen und ausnehmen (siehe Hinweise). Den Kund*innen aber scheint das egal zu sein. Hauptsache 2-3 Wochen anderes tun, als daheim zu wohnen und zu arbeiten.

Das alles mag jetzt angriffiger geklungen haben, als es eigentlich klingen sollte. Zum einen deshalb, weil nach den langen Zeiten von Corona die Sehnsucht nach Freiheit und Ortswechsel mehr als nur verständlich sein sollte. Zum anderen, weil der Tourismus auch die altbewährten Konzepte braucht, um eine lange, ruinöse Durststrecke zu überwinden. Veränderung braucht Zeit, Kapital und Personal. Davon aber ist aktuell nicht ausreichend vorhanden, um den Change zu schaffen. Akzeptieren wir jedoch diese Argumente für eine Rückkehr in ein überbordendes, ungesundes Urlaubswesen, gestehen wir damit auch ein, dass aus den vielzitierten Chancen, die uns Krisen bieten, nichts geworden ist. Dass die schönsten Worte weiser Krisen-Gurus dort ungehört verhallen, wo es im Übermaß menschelt. Die Post-Corona-Gesellschaft ist, zumindest während der Ferien, um kein Stück weiter als vor der Pandemie. Im Gegenteil! Viele von uns fordern gar ein Aussetzen gemeinsamer Krisen-Anstrengungen jedweder Art, um sich ein paar Wochen Lust und Laune zu gönnen.

Damit aber kennen wir das meiste schon, das während der kommenden Sommermonate auf uns zukommen wird. Wenn auch nicht alles in der Intensität, wie es sich in den ersten Wochen dieses Sommers bereits abzeichnet. So wird es definitiv heißer werden zuhause und dort, wo wir gerne hinreisen. Es wird an Trink-, Gieß- und Löschwasser mangeln. Wälder werden brennen, Ernten werden vertrocknen, und gegen den Durst steht gerade mal Alkohol in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Reise selbst wird ärger-reicher, dafür nicht klimafreundlicher als bisher. Staus auf der Straße und Personalmangel in der Flugbranche sorgen dabei für erhöhte Urlaubsreife unter den Leuten. Aber auch auf den alternativen Bahn-Routen wird zumindest heuer noch nicht alles nach Wunsch laufen (können). Dazu kommt, dass nennenswerte Schnäppchen gerade Pause haben. Die Restaurants, Bars und Hotels müssen nämlich die Preise erhöhen, um Schulden ab- und Personal aufzubauen. Der Sprit wird aktuell in Gold aufgewogen. Und für jedes Leih-Angebot und Action-Ticket braucht es so richtig Cash. Aber auch für Konfliktpotenzial unter den Gästen ist auch heuer wieder gesorgt, wenn der Kampf um freie E-Bike-Ladeboxen jenen um Liegeplätze ablösen wird.

Es würde mich nicht wundern, wenn heuer nach Ende einer Urlaubsreise viele Menschen urlaubsreif wären. Die Erholungschancen stehen für diese Saison aus meiner Sicht schlechter als in den Jahren zuvor. Auch deshalb, weil wir wohl auf mehr Menschen in knapper werdendem Raum treffen werden. Dagegen ist der Erwartungsdruck in Richtung Urlaubserlebnis ungleich höher als noch vor 5-10 Jahren. Wenn nicht in den kommenden 2 Wochen, wann dann, lautet die Kampfansage der Menschen sowohl an die Ferien- und Entertainmentbranche als auch an die Mit-Urlauber*innen. Damit aber braut sich ein Ferien-Cocktail der ungesunden Art zusammen. Die Weltkrisen werden auch während der Ferien weiterlaufen, Corona wird wiederkommen, und unser aller Nervenkostüm braucht andere Entspannung als Urlaube nach dem Muster vergangener Jahrzehnte. Aber auch ich persönlich und meine Frau werden nicht umhinkommen, auf bewährte Urlaubsroutinen zurückzugreifen. Wir investieren wieder einen Teil unseres 4.000 km Jahres-Budgets mit dem Privat-Auto in eine Reise dorthin, wo wir noch Auslauf haben. Mit im Gepäck die Mountainbikes, Wanderschuhe und jede Menge Neugierde auf das Land und die Leute. Mobilität vor Ort lässt sich immer auch öffentlich oder mit dem Rad sicherstellen. Gewohnt wird einfach und konsumiert nur dort, wo wir das Gefühl haben, das Geld bleibt auch bei den Menschen vor Ort. Damit halten wir auch heuer wieder unseren Urlaub einigermaßen klima-erträglich, fair und frei von unnötigem Stress. Endlich wieder einmal so, wie es früher war!

Salzburg, 7|2022 – Gerd

Hinweise

Anliefern, einhegen und ausnehmen = salopp verkürzt für klimaschädliche Anreise, Unterbringung in Hotelburgen oder abgeschlossenen Resorts und neppen, was das Zeug hält.

Change = englisch für Wechsel oder Wandel