Trial and Error

Content-ID: 111|01 | Autor: Gerd | Stand: 15.12.2022

Trials and Errors

Digitale Hängepartie voraus

Die Älteren unter uns fühlen sich aktuell wohl an den Jahrtausendwechsel erinnert, als das Platzen der „Dotcom-Blase“ die Hightech-Börsen weltweit erschütterte. Damals wurden IT-Unternehmen, die Anleger*innen rasantes, ewiges Wachstum versprachen, recht unsanft auf den Boden der Realität zurückgeholt. Oder sogar darunter, denn viele der Unternehmen überlebten den Börsencrash nicht. Für die jüngeren Semester ist die aktuelle Technologie-Krise die erste, die offenlegt, dass selbst digitale, (nur vermeintlich) von der realen Wertschöpfung entkoppelte Riesen durchaus real scheitern können. Vermeintlich deshalb, weil selbst Tech-Konzerne überwiegend im klassischen Wertschöpfungsprozess verankert sind. Das wiederum bedeutet, dass auch sie „liefern“ müssen – vor allem anhaltende Gewinn-Perspektiven für Investor*innen. Kippen jedoch die Bilanzen und drehen die Rendite-Aussichten auf negativ, ist Liebesentzug die Folge. So ein Vertrauensverlust inklusive Kapitalflucht ist derzeit wieder einmal im Laufen. Das erzeugt in Wirtschaftskreisen zwar Unwohlsein, ist aber nicht wirklich ungewöhnlich.

Sie gelten allgemein als „too big to fail“, die Tech-Giganten unserer Zeit. Also als zu mächtig, um tatsächlich ins Wanken zu kommen. Deshalb schreckt es auf, wenn Riesen wie Alphabet, Amazon, Meta oder Twitter derart ins Straucheln kommen, dass riesige Imageprojekte abgesagt und Abertausende Mitarbeiter*innen gefeuert werden müssen. Dabei sind Hochs und Tiefs auch in der Technologie-Branche durchaus üblich und sogar notwendig. So reagieren gesunde Märkte üblicherweise auf Fehl-Entwicklungen. Und aktuell ist die IT-Branche nun einmal gefährlich heiß gelaufen. Solange die boomende Digitalisierung als Überbegriff für die technische Modernisierung der Welt auch gezwungen ist, zu „liefern“, solange gibt es auch Marktregulative. Flacht dabei das Wachstum im Online-Geschäft ab, muss selbst Amazon die Personalkosten senken. Springen bei Twitter Werbekund*innen ab, dito. Genauso, wenn das Metaverse den vollmundigen Gewinnprognosen hinterherhinkt. Sinken die Umsätze und fehlen Erträge, flüchtet das Kapital, erodieren Börsenkurse oder werden gefeierte Start-ups wieder eingestampft. Ebenso straucheln Trendbranchen wie Lieferdienste oder werden Innovationskracher wie z.B. Spracherkennung oder autonome Mobilität auf später verschoben. Das alles passiert aktuell und ist doch (noch) halb so dramatisch wie vermutet.

Das liegt vor allem in der (manchmal auch gesunden) Trägheit der Märkte. Wer hätte Anfang der 2000er-Jahre gedacht, dass Big Data und die daran angedockte Analytik-Branche heute noch weit davon entfernt ist, flächendeckend eingesetzt zu werden. Während in der digitalen Elite schon intensiv in KI investiert wird, wird in der breiten Masse noch immer an Apps und Entscheidungshilfen in „Wenn-Dann-Logik“ gebastelt. Das zeigt deutlich, dass die digitale Optimierung herkömmlicher Geschäftsmodelle noch als der bessere Deal angesehen wird als der totale Umbruch. Das wiederum bestimmt die Inhalte der nahezu verzweifelten Fachkräftesuche in der IT-Branche. Der Großteil der aktuell fehlenden Ressourcen würde ohnehin in der Anwendung üblicher Digitalstandards eingesetzt werden. Egal ob der Aufbau konventioneller EDV-Umgebungen oder die Adaptierung fertiger Softwarestandards für neue Geschäftsfelder. Seien es erste Schritte zu mehr Cybersicherheit oder die Übernahme bestehender Algorithmen und Codes in kreative Anwendungsideen. Radikal neuartig ist in den aktuellen Job-Beschreibungen der IT-Szene wenig. Es sind die immer noch alten, etablierten Business-Welten in den Unternehmen, die noch länger für riesige Umsätze mit „alten“ Meilensteinen der Digitalisierung sorgen werden. Solange darin hohe Renditen parken, wird an der Innovationsfront die Luft dünn und das Kapital scheu bleiben. Es sei denn, ein visionäres Erfolgsversprechen neuartiger Techniken für spannende Geschäftsmodelle lockt wieder das Risiko-Kapital. Dann beginnt die Börsen-Rallye an der Tech-Front wohl von vorne.

Was hingegen jetzt schon Sorgen bereitet, sind Projekte, denen kriminelle Energie und Gier zugrunde liegen. Da sind einerseits zunehmende Aktivitäten an der Cyber-Crime-Front, die auf digital gelagertes Geld und andere Werte abzielen. Auch die Erpressung mittels gekaperter Daten und lahmgelegter digitaler Infrastruktur erlebt einen nie dagewesenen Boom. Dazu kommt ein wachsender Schwarzmarkt mit gestohlenen persönlichen oder kritischen Daten mit all seinen üblen Konsequenzen: Manipulation, Erpressung, Spionage. Um jedoch gegen Kriminalität im bzw. über den virtuellen Raum besser aufgestellt zu sein, müssten die Gesetzgebung und die Strafverfolgung endlich ins Tun kommen. Gemeint sind damit wirkungsvoller Datenschutz und ein neuer Rechtsrahmen inklusive einer ambitionierten Aufklärung von Vergehen und der strengen Bestrafung enttarnter Täter*innen. Damit würde ganz nebenbei auch gleich eine wirksame Instanz gegen Hass im Netz und Fake News entstehen. Andererseits zeigen die aktuellen Unruhen in der Krypto-Szene das Schadpotenzial, das auf unregulierten Märkten permanent droht. Dabei rauben nicht nur die enormen Kursschwankungen von Bitcoin & Co den Anleger*innen den Schlaf. Auch Misswirtschaft, disruptive Spekulation und kriminelle Energie fördern nicht gerade das Vertrauen in digitale Währungen. Dass dabei sogar die weltweit zweitgrößte Krypto-Börse FTX crashen konnte, zeigt, dass in diesem Business noch lang Erfahrung gesammelt werden muss, um als alltagstauglich und seriös durchzugehen. So lange rate ich zu Vorsicht im Umgang mit Krypto-Währungen.

Bleibt die Hoffnung, dass an den genannten digitalen Baustellen rasch wirksame Lösungen gegen Kriminalität, Gier und Missbrauch gefunden werden. Damit wäre die Technologie-Branche gefühlsmäßig wieder auf Kurs. Nämlich auf ihrer unspektakulären Reise durch die üblichen „Ups and Downs“ der Business-Welten und Märkte.

Salzburg, 12|2022 – Gerd

Hinweise

Trial and Error = englisch für Versuch und Irrtum

Dotcom-Blase = geplatzte Spekulationsblase rund um „New Economy“-Unternehmen im Jahr 2000

New Economy-Unternehmen = (um das Jahr 2000) neue gewinnstarke Internet-Unternehmen

Dito = lateinisch für „ebenso“

Metaverse = virtueller Raum bzw. Marktplatz für soziale und wirtschaftliche Interaktion

KI = künstliche Intelligenz

Ups and Downs = englisch für Höhen und Tiefen

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