Unter d Leut

KOMMENTAR | Content-ID: 158|01 | Autor: Gerd | Stand: 10.10.2024
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Unter d‘ Leut

Was tun gegen Einsamkeit

Es ist so paradox, wie es klingt: Wer einsam ist, ist eine oder einer von vielen. Laut internationalen Medien ist Einsamkeit zu einer Volkskrankheit mutiert, die nicht nur persönlichen, sondern auch wirtschaftlichen Schaden verursacht. Abermillionen Menschen leiden in Deutschland und Österreich an mangelnder sozialer Einbindung und dem Gefühl, nicht (mehr) wahrgenommen zu werden. Dabei sind es nicht mehr nur ältere Menschen, die angesichts sich ändernder Lebensumstände unter Einsamkeit leiden. Aktuell – besonders während und nach Corona – sind auch Jüngere davon betroffen. Und das oft nicht deshalb, weil sie örtlich isoliert und fern von anderen wären. Zwar wurde lange die schlichte Distanz zu möglichen Kontakten als Hauptgrund für das Gefühl des Isoliertseins ausgemacht. Doch es ist komplizierter, als viele denken.

Wenn es darum geht, tagsüber (außer an der Supermarktkasse) kaum in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen, kann ich ein Wörtchen mitreden. Ich arbeite als Selbstständiger von zuhause aus und sehe seit vielen Jahren den lieben langen Tag lang tatsächlich keine Menschenseele. Kein Meeting, keine Kaffeepause mit Kolleg*innen, kein Plausch vor der Haustüre und, meinem Job geschuldet, auch keine Telefonate oder Video-Calls. Die einzige menschliche Stimme, die durch mein Büro hallt, ist meine eigene, wenn ich mich mit mir selbst unterhalte. Und das nur, um meine Konzentration bei der Bewältigung komplexer Aufgaben hochzuhalten und nicht, um mich selbst zu bespaßen. Und trotzdem fühle ich mich, abgesehen von etwas Schwermut an besonders düsteren Herbst- und Wintertagen, nicht isoliert oder allein gelassen. Ich habe zum Glück noch die Möglichkeit, mir jederzeit eine Notfall-Dosis gegen drohende Einsamkeit zu holen. Nämlich einen erfrischenden und intellektuell anregenden Austausch mit meiner Frau zuhause oder im Freundeskreis.

Es gilt wohl für alle, sich ab und an des Respekts und der Anerkennung von Menschen zu versichern, an deren Erfahrung, Urteil und physischer Gegenwart einer bzw. einem gelegen ist. Aber auch gleichermaßen Zeit, Zuneigung und Anteilnahme zu geben. Dieses erlebbare Wir in nur einzelnen Stunden, aber auch über Tage und Wochen hinweg, schützt ganz gut vor sozialer Isolation und in deren Folge gegen das Erodieren des Selbstwertgefühls und der seelischen Widerstandsfähigkeit. Es ist dabei nicht die Anwesenheit von Menschen per se, die jemanden „nicht einsam“ macht. Es ist das wahrgenommen und einbezogen werden als Person und sich als wertvoller Teil der Gruppe fühlen zu können, das ein Ich zum Wir werden lässt. Ich kenne Menschen, die jede zweite Woche ins Fußballstadion pilgern und sich trotz der Anwesenheit von tausenden Menschen am selben Platz nicht wirklich unter Leuten fühlen. Klar, die Spannung des Spiels und die kollektiv angeregte Stimmung im Stadion bieten jede Menge Erlebniswert. Das aber ist Entertainment, das in diesem Fall allein unter Fremden konsumiert wird. So wie ein Film im Kino, zu dessen Besuch man keine Begleitung gefunden hat.

Einer der (vielen) Gründe, warum Menschen aus den Augen und aus dem Sinn der anderen geraten, ist die Verlagerung des sozialen Lebens in soziale Medien. Darin sind über die Jahre fast alle zu Sender*innen mutiert, die zwar ihre Nachrichten in der Welt verbreiten, sich denen anderer jedoch immer weniger widmen. Darunter leidet nicht nur der Austausch, der in direkter Kommunikation unweigerlich stattgefunden hätte. Es entsteht auch eine Art des stillen Ignorierens des vermeintlichen Gegenübers. Ein nicht Stattfinden von Wahrnehmung, das, kaschiert durch oberflächliche Likes, dazu führt, dass man sich einander auch im realen Leben entfremdet. Wenn jedoch auf Kommunikationsangebote niemand reagiert, wie soll dann daraus sozialer Austausch entstehen? Es scheinen als interaktive Verlierer*innen der sozialen Medien immer mehr Personen trotz medialer Präsenz in eine Isoliertheit zu schlittern, die oft zu spät erkannt wird und damit sehr schwer zu beseitigen ist.

Der effektivste Schritt aus einer derartigen Situation wäre die Rückkehr zur realen Interaktion zwischen Menschen. Zwischen Personen, die einander gegenüberstehen oder miteinander Zeit verbringen. Ich habe dieses Problem durchaus auch als eines erkannt, das über die Jahre zu meinem bzw. gemeinsam mit meiner Frau zu unserem werden könnte. Ich suche daher wieder vermehrt den direkten Austausch mit Menschen, egal ob ich sie schon kenne oder erst kennenlernen werde. Und es gelingt mir ganz gut! So gut, dass ich Ihnen ein Angebot machen möchte: Sollten Sie bemerkt haben, dass Sie in eine Einsamkeit abzurutschen drohen und keine Freund*innen zur Hand haben, die Ihnen heraushelfen, rufen Sie mich an. Machen wir einen Spaziergang, trinken wir einen Kaffee und diskutieren wir über Gott, so es ihn gibt, und die Welt.

Salzburg, 10|2024 – Gerd

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