S-Link EXTRA | D | Denksportaufgaben

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag D15 | 31.10.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Untergrundverkehr

In den Katakomben der Stadt

Ein Fall für die SOKO Zukunft.

Nur für Personen, die mit der aktuellen Auseinandersetzung um den geplanten Bau der Salzburger Regionalstadtbahn „S-Link“ einigermaßen vertraut sind!

Kurz bevor bzw. nachdem der S-Link unter der Salzach kreuzt, wird er rund 26 Meter tief unter dem Rudolfskai Massen an Menschen in die Salzburger City spülen. Dabei wird es alle dreidreiviertel Minuten rund gehen auf dem Inselbahnsteig, 7 Stockwerke unter der Erde. Gerade während der Stoßzeiten, wenn es heißt, je nach Fahrtrichtung aberhunderte Fahrgäste in die oder aus den Zügen zu bekommen, wird das ein munteres Gewusel á la Wien, München oder Singapur. So zumindest planen es die Chefinnen und Chefs der Regionalstadtbahn, damit es auch gelingen möge, die Eisenbahn einigermaßen auszulasten. Ich persönlich bin da skeptisch. Denn was hier als großstädtische Frequenz-Strategie gedacht ist, wird sich wohl rasch relativieren. Nur in welche Richtung?

Verfolgt man die Erzählungen der Projekt-Betreiber*innen, liegt der Schluss nahe, dass die Haltestelle Rudolfskai der Nabel des S-Link-Systems werden muss. Hier werden künftig Fahrgäste in Massen aufgenommen, abgeliefert und an andere Öffis übergeben. So weit die Theorie, aber wie plausibel ist dieses Planspiel, das zurzeit suggestiv durch die Medien geistert? Immerhin gibt es dazu sehr berechtigte und nicht nur destruktive Skepsis daran, ob dieses Vorhaben aufgehen kann. Dazu vorab meine top-fünf Themen, die ich mitdenke, wenn es darum geht, den gewachsenen öffentlichen Innenstadtverkehr radikal auf einen Hotspot im Untergrund zusammenzustauchen:

  • Was sich oberirdisch bewährt hat ist die Verteilung der Fahrgäste über 8 Haltestellen mit Umsteigemöglichkeiten von Bustür zu Bustür. Mit dem S-Link soll das in einigen Jahren Konkurrenz bekommen.
  • Das oberirdische Bus-Netz wird jedoch bestehen bleiben. Vor allem deshalb, um die Fahrgastströme vom S-Link in die „Fläche“ zu bringen. Das erhält aber auch das direkte oberirdische Umsteigen für die Nachwelt und weckt Konkurrenz zum S-Link.
  • Die Haltestelle Rudolfskai liegt tief unter der Erde. Damit werden die Wege an die Oberfläche und damit zu den Umsteig-Haltestellen lange.
  • Auch die Beengtheit, wenn Züge aus zwei Richtungen im dichten Takt Fahrgäste bringen bzw. aufnehmen, die rasch (im Notfall sogar ultraschnell) verräumt werden sollten, wird zum Kriterium.
  • Zudem wird diese Haltestelle zur einzigen Zutrittsschleuse für Bus-/Tagestourist*innen, die sich 7 Stockwerke unter der Oberfläche oder ebenerdig sammeln, sortieren und koordinieren müssen, um danach fröhlichen „Overtourism“ zu feiern.

Aufgabenstellung:

Es gibt mehrere Motiv-Gruppen, aus deren Sicht das Angebot des S-Link beurteilt werden wird. Drei davon sind (unter vielen anderen):

  • Menschen im Binnen-Pendelverkehr, die nicht nur rasch ins Zentrum, sondern von dort möglichst direkt weitergebracht werden wollen.
  • Die heimischen Innenstadt-Nutzer*innen, die komprimierte Gästeströme über eine einzige Ausstiegsstelle in neuem Ausmaß erleben werden.
  • Alle Menschen, denen es zu mühsam ist, sich und gemachte Einkäufe über 7 Stockwerke nach Hause oder zum Anschluss-Öffi zu schleppen.

Wählen Sie bitte eine der drei Zielgruppen aus und erklären Sie in eigenen Worten:

Warum das eben beschriebene Szenario der Akzeptanz des S-Link keinen Abbruch tut?

PS – Die guten Nachrichten zum Schluss: Salzburg ist nicht Wien, München oder Singapur! Daher werden, abgesehen von eineinhalb Stunden am Tagesrand und zu Tourismus-Spitzen eher wenige Menschen im Zug sitzen, zwischen Untergrund und Oberfläche pendeln und sich gegenseitig auf die Zehen steigen.

Folgende Aufklapp-Menüs helfen Ihnen, vertiefende, zusätzliche oder auch gänzlich andere Perspektiven zum Thema zu finden.

Hintergrundinformationen für Faktenchecker*innen

Faktum: Der Bahnsteig Rudolfskai wird rund 26 Meter unter der Oberfläche liegen. Das sind 7 Stockwerke, die Sie über einen Lift, Rolltreppen oder Fluchtwege zu überwinden haben, wenn Sie zum Anschlussbus wollen.

Faktum: Laut Regionalstadtbahn-Gesellschaft wird er zwischen der Staatsbrücke und dem Mozartsteg sein. Die Ein- und Ausgänge sind am Mozartplatz bzw. am Rudolfskai geplant.

Faktum: Beim Ausgang Mozartplatz ist im Untergeschoss eine Rad-Garage mit 2.000 Stellplätzen geplant, die (vermutlich) über die S-Link-Aufgänge bespielt werden soll.

Faktum: Überträgt man die Planung der Haltestelle Mirabellplatz auf jene am Rudolfskai, wird es sich um einen Inselbahnsteig handeln, von dem Rolltreppen und Lifte nach oben führen.

Faktum: Der Bahnsteig wird ca. 120 Meter lang sein (müssen).

Faktum: Bei maximaler Kapazität finden in jeder Zuggarnitur 660 Personen Platz.

Faktum: Von beiden Seiten werden (zumindest tagsüber) Züge im 7,5 Minutentakt eintreffen. Gegengleich getaktet, wird damit alle 3:45 Minuten ein Zug zum Ein- oder Ausstieg halten.

Faktum: Im Gegensatz zur Kapazität wird der (versprochene) 7,5 Minuten-Takt (tagsüber) an dieser Haltestelle nur schwer zu variieren sein. Der S-Link wird nämlich abwechselnd von der Lokalbahn aus dem Flachgau und der Messebahn im 15 Minuten-Takt beschickt – und der ist wiederum eines der besten Argumente für den S-Link.

Schlussfolgerung: Es kann davon ausgegangen werden, dass die Maximalkapazitäten nur bei speziellen Anlässen zum Einsatz kommen (Christkindlmarkt, Rupertikirtag, Rock-Konzerte). Wenn dann aber alle knapp 4 Minuten rund 500 Personen aus- bzw. einsteigen wollen, wird es eng am Bahnsteig.

Faktum: Den Touristiker*innen der Stadt wurde versprochen, dass die Bus- und Tagesgäste via Messezentrum (vom Norden) und via P&R-Platz Anif gesammelt in die City gebracht werden. All diese Personen landen an der Haltestelle Rudolfskai.

Innerer Film: Stellen Sie sich bitte die Besatzung von 3 Reisebussen vor, die, vom Messezentrum kommend am Rudolfskai rasch den Zug verlassen und nach oben gebracht werden wollen. Das sind rund 180, wahrscheinlich ältere Personen, die binnen einer Minute aussteigen und binnen 3:45 Minuten vom Bahnsteig weggebracht werden müssen. Und das inmitten jener Fahrgäste, die den S-Link im Alltag nutzen. Sollte daher an dieser Haltestelle nicht mit verlängerten Ein- und Ausstiegszeiten gerechnet werden, staut sich der Zugverkehr mächtig ins Umland. Wenn diese Gäste, mit vielen anderen zeitgleich am Mozartplatz ankommen und sich sortieren müssen, klumpt es sich dort zu einer neuen Dimension des Salzburger „Overtourism“. Sollten sich dann an der Oberfläche noch Gruppen in ähnlicher Personenstärke organisieren, um einen Zug gemeinsam zu erwischen, wird es eng am Mozartplatz.

Faktum: Es wurde bereits damit begonnen, den Nahverkehrsplan der Stadt Salzburg bis 2027 umzusetzen. Dabei werden auch Buslinien verändert geführt, um mehr direkte Ost-West-Verbindungen zu schaffen und städtische Regionen bedarfsgerechter miteinander zu verbinden. Link Nahverkehrsplan »

Faktum: Im oberirdischen Bus-Netz werden 6-8 Buslinien in beide Richtungen über den Rudolfskai geführt. Zusätzlich verbleiben 2 weitere Linien, die über den Hanuschplatz und die Staatsbrücke geführt werden.

Faktum: Da mit dem Start des S-Link nur mehr die Salzachseite des Rudolfskais mit öffentlichem Verkehr bespielt werden soll (die Imberstraße wird dem Autoverkehr gewidmet), existiert im Einzugsbereich der dortigen Haltestelle ein bestens ausgebautes Busnetz.

Faktum: Über dieses Busnetz ist auch der gesamte innerstädtische Verlauf des S-Link abzudecken. Und das mit höherer Haltestellendichte und nie 26 Meter unter der Erde.

Annahme: Dieses oberirdische Bus-Netz wird eine starke Konkurrenz zum S-Link darstellen und sich auf dessen Auslastung und damit Produktivität und Wirtschaftlichkeit auswirken.

 

KOMPAKT: Der S-Link hat schlechte Karten im Innenstadtverkehr …

… Zumindest komme ich nach reiflicher Überlegung zu diesem Schluss.

Schlussfolgerung: Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass mehrere Bus-Linien dem S-Link geopfert werden sollen, um ihn produktiver führen zu können. Das ist, angesichts der geringen Haltestellendichte, der hohen Akzeptanz des Busnetzes, der Wirkung ohnehin umzusetzender Verkehrsmaßnahmen und dem Umstand, dass die Verbindung zwischen ebenerdig und tief unten eine psychische und funktionelle Barriere darstellt, mehr Traum als Realität.

Schlussfolgerung: Zudem wirkt der Plan, alle Tourismus-Ströme zu kanalisieren und über einen einzigen Hotspot an die Oberfläche zu spülen, kontraproduktiv. Dazu ist das Gäste-Handling am (Hochfrequenz-) Bahnsteig zu hektisch, der vorhandene unterirdische Raum zu schmal und die oberirdische Infrastruktur für Gästegruppen, sich zu sammeln, organisieren und koordinieren, nicht geeignet. Dazu aber mehr bei den Alternativvorschlägen des „Plan A“ der SOKO Zukunft mit Tourismusrelevanz.

Schlussfolgerung: Verteilt man die Zahlen der Verkehrsplaner*innen, die der Dimensionierung des S-Link durch Salzburg zugrunde gelegen haben, ist außerhalb der Rushhour und Kirtag-/Festival-Zeiten tote Hose unter der Erde. Einerseits deshalb, weil die hohe Taktfrequenz aufgrund der gemachten Versprechen gehalten werden muss. Und andererseits, weil das (mit Sicherheit) weiter geforderte oberirdische Öffi-Netz gut ausgelastet bleiben wird. Salzburg ist eben Salzburg und nicht Wien, München oder Singapur.

Warnung: Zu glauben, das Streichen oder Ausdünnen des oberirdischen Öffi-Netzes wäre eine Option, würde bei den (immer mehr werdenden älteren) Salzburger*innen jedoch nicht gut ankommen.

Warnung: Unterirdische öffentliche Infrastruktur wird leider auch oft zu negativen Hotspots. Daher bitte für helle, freundliche Atmosphäre, eine umfassende Überwachung und einen permanente Security sorgen.

(Polemischer) Abspann: Es war mitunter die Haltestelle am Rudolfskai und die (hektisch) darum herum gezimmerte Öffi-Planung, die mir klargemacht hat, wie naiv die Vorstellungen vom S-Link als Selbstläufer-Projekt ist. Einfach eine U-Bahn zu bauen und darauf zu hoffen, dass schon aus Ehrfurcht alle ihr Auto verkaufen und an der Zugtür Schlange stehen, grenzt für mich an Verzweiflung. Aber ich bin es ja nicht, der darüber zu entscheiden hat, ob die gewünschten Effekte nicht effektiver und bedarfsgerechter erbracht werden sollen, oder eben nicht?

 

Ihr Lösungsvorschlag

Bitte senden Sie mir Ihren Lösungsvorschlag zu dieser Denksportaufgabe. Ich werde ihn bei weiteren Recherchen zum Thema und der Entwicklung der Vision eines „Plans A zur Salzburger Verkehrssituation“ berücksichtigen. | *) Pflichtfeld

Datenschutzbestimmung: Ihre Antworten werden ausschließlich anonymisiert in die Arbeit der Soko Zukunft | S-Link einfließen. Die SOKO Zukunft ist ein offenes Rechercheformat zur Erörterung von Zukunftsfragen aus der Sicht betroffener Menschen. Ihre Daten werden in keinem Fall an Dritte weitergegeben. 

Denksportaufgabe Nr. 015

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Tipp!

Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040.

Lesetipps

Mehr Informationen zum Thema finden Sie in folgenden Beiträgen auf Unbehagen.at

020 Es ist eine Eisenbahn » | Was man über Eisenbahnen generell und jene durch Salzburg im Speziellen wissen sollte.

023 Party-Bahn » | Leserbrief an die SN anlässlich eines kritischen Beitrags zur Öffi-Versorgung beim Ruperti-Kirtag 2024 in Salzburg.

026 Redundanzeffekte » | Wenn Konkurrenz den Finanzierungsbedarf steigert, statt die Preise zu senken.