S-Link EXTRA | D | Denksportaufgaben
Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag D04 | 25.10.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.
Klimarechnen
Auf der Suche nach Mehrwerten
Nur für Personen, die mit der aktuellen Auseinandersetzung um den geplanten Bau der Salzburger Regionalstadtbahn „S-Link“ einigermaßen vertraut sind!
Am Beginn der Diskussionen um den S-Link war das Klimathema weit dominanter, als es heute ist. Mittlerweile wurde die „Weltrettungseuphorie“ von der eher nüchternen Erkenntnis unterlaufen, dass vom S-Link wohl keine nennenswerte Hilfe im Kampf gegen den Klimawandel zu erwarten ist. Klar, es gibt Studien, die nahelegen, dass der S-Link, abgesehen vom enormen CO2-Ausstoß während der Bau-Phase, kein Klimasünder sein wird. Und genau das ist es, was unter dem Strich aus diesen Studien zu lesen wäre, wenn von Dritten fallweise nicht noch (teils utopische) Annahmen dazu gemixt würden.
Aufgabenstellung:
Bitte treten Sie einen Schritt zurück und
werfen Sie einen Blick auf das „Big Picture“ zum Thema Klimawandel und die Rolle, die der Verkehr im Kampf gegen die Erderwärmung spielen kann.
Versuchen Sie nun, alle Schalthebel für den Klimaschutz zu identifizieren, die (auch) mobilitätsrelevant wirken. Einige davon können Sie jetzt sehr konkret einzelnen Verkehrsoptionen, wie beispielsweise dem S-Link, zuordnen. Andere wirken indirekt über gleich mehrere Ecken.
Ausgangssituation: Aktuell richten sich das Pro- und Kontra-Lager über die Medien aus, wie effektiv bzw. eben nicht effektiv der S-Link im Kampf gegen den Klimawandel wirken wird. Dabei ist u. a. davon die Rede, dass die Klimabilanz des Gesamtprojektes schon in 5-9 Jahren (Pro-Lager) bzw. erst in 100 Jahren (Kontra-Lager) ausgeglichen sein wird. Untermauert werden die jeweiligen Argumente mit diversen Studien. Es sind dabei auch schon mal die gleichen Studien und Expertisen, die in der Auseinandersetzung für oder gegen den S-Link zitiert werden. Aber das ist okay so – es geht oft nur darum, die richtigen Schlüsse zu.
Frage 1:
Wird der S-Link irgendwann eine positive Klimabilanz aufweisen und wenn ja, wann?
Frage 2:
Wodurch erzeugt der S-Link ganz konkret nennenswerte positive Klima-Effekte und in welchen Bereichen spielt er eher keine Rolle?
Frage 3:
Können diese und weitere Effekte durch andere Verkehrsoptionen auch oder gar schneller, billiger und effizienter erbracht werden?
Folgende Aufklapp-Menüs helfen Ihnen, vertiefende, zusätzliche oder auch gänzlich andere Perspektiven zum Thema zu finden.
Hintergrundinformationen für Faktenchecker*innen
Faktum: Der S-Link ist als Eisenbahn-Linie mit einer Trassenlänge von rund 17 km geplant. In der Variante 2 (die aktuell präferierte, Anm.) werden rund 4,5 km unterirdisch geführt.
Faktum: Je Tunnel-Kilometer ist lt. Studie von Umweltverbänden zu Berliner U-Bahnen mit einer Emission von rund 80.000 Tonnen CO2 zu rechnen. Ein Gutteil dieser Emissionen ist auf den Einsatz von Zement und Stahl zurückzuführen.
Nebensatz: Aufgrund dieser CO2-Belastung fordern Verkehrsexpert*innen (seriös, aber leider nicht im Verteiler der Freund*innen des S-Link) endlich eine Abkehr von Tunnel-Bauten.
Hinweis: In Salzburg erfordert der Seeton (kritischer geologischer Untergrund, Anm.) den Einsatz zusätzlicher Mengen an Zement. Vorsichtig geschätzt ist mit rund 100.000 Tonnen CO2 je Tunnel-Kilometer für den S-Link zu rechnen. In Summe sind das 450.000 Tonnen CO2.
Faktum: Für den oberirdischen Trassenbau ist mit (vorsichtig geschätzten) 8.000 Tonnen CO2 pro Kilometer zu rechnen. Inklusive Brücke(n) und Stationen würden in Summe rund 150.000 weitere Tonnen an Treibhausgasen emittiert werden.
Faktum: Alles in allem steht das Bauprojekt S-Link für etwa 600.000 Tonnen CO2.
— Themenwechsel —
Faktum: Vergleicht man den CO2-Ausstoß pro Person zwischen Bahn, Bus und O-Bus im täglichen Einsatz, liegen die Werte aktuell um plus/minus 30-40 g pro Personen-Kilometer (sofern mit grünem Strom betrieben!).
Faktum: Bei derzeitigem Stand der Technik lagen 2022 laut Bundesministerium die Flotten-Emissionswerte von CO2 für Neuwagen (alle Antriebe) bei plus/minus 120 g Fahrzeug und pro Kilometer. Das sind inklusive Produktion des Fahrzeuges rund 140 g pro Personen-Kilometer. Umgerechnet auf den PKW-Bestand 2040 dürfte dieser Wert zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des S-Link drastisch gesenkt worden sein (Stichwort: Auslauf Verbrenner – E-Mobilität).
Faktum: Ab 2035 dürfen keine Verbrenner-Autos mehr verkauft werden. Ab 2045 wird der Bestand an Verbrenner-Autos nur mehr von geringer Bedeutung sein. Der CO2-Preis wird bis 2040 signifikant steigen, die Kosten für Versicherungen und Reparaturen ziehen bereits jetzt an, die Subventionen für den Einsatz fossiler Kraftstoffe werden geringer u. v. m. Damit, und mit weiteren Struktur- und Prämisseneffekten verschwinden jene CO2-Anlässe sukzessive, die dem Tunnelprojekt gegengerechnet werden können.
Hintergrund: Auch beim Umstieg vom Verbrenner-PKW auf ein E-Auto ist ein Klimaeffekt zu erzielen. Besonders effektiv wird es aber erst dann, wenn das E-Auto als Mikro-Öffi oder Sharing-Auto im Einsatz ist. Die Stellschrauben für den Klimaschutz sind dabei zusätzlich zur Technik die gefahrenen Kilometer, die Insassen pro Fahrzeug und dessen Behaltedauer.
Damit werden auch E-Mikro-Öffis im Dauereinsatz nicht nur kostengünstiger, sondern auch klimafreundlicher. Vergleichen Sie dabei ein E-Auto in durchschnittlicher Besetzung von 1,5 Personen, das in einem Zeitraum von 2 Jahren 30.000 km fährt und einen E-Kleinbus mit durchschnittlich 3 Personen, der in diesen 2 Jahren 300.000 km unterwegs ist. Für Skeptiker: Die Auslastung dieser ÖPN-Verkehrsmittel wird natürlich via KI hochgehalten, damit sie sich wirtschaftlich rechnen.
KOMPAKT: Das Thema "Klimabilanz" auf den Punkt gebracht
Summary: Auch persönlich sehe ich kaum klimarelevante Effekt durch den Bau und Einsatz des S-Link. Und ich habe schwerwiegende, seriös recherchierte Argumente dafür!
- Die 600.000 Tonnen CO2-Emissionen durch den Bau des S-Link würden in frühestens 100 Jahren neutralisiert werden. Vorausgesetzt, es wären dann noch Verbrenner-PKW im Einsatz. Bei einem tatsächlichen Verbrenner-Ausstieg 2035 und einer klimafreundlichen Subventionspolitik würde es noch länger dauern, da immer weniger CO2 gegengerechnet werden könnte.
- Die aktuellen Recherchen zum behaupteten Beitrag des S-Link, Menschen zum Umstieg vom Auto auf Öffis zu bewegen und damit Stau zu verhindern und CO2-Emissionen zu reduzieren, verlaufen ernüchternd. Die Ergebnisse dazu werden selbstverständlich noch vor der Abstimmung am 10.11.2024 an dieser Stelle zur Verfügung stehen.
- Vorweggenommen: Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Gutteil, der in den vorliegenden Studien prognostizierten Fahrgäste des S-Link von anderen Öffis und nicht vom PKW umsteigen werden.
- Spoileralarm: Das oberirdische Öffi-Netz braucht es in adaptierter und sogar erweiterter Form trotz des S-Link, um die Mobilitätsbedarfe der Salzburger*innen mehrdimensional, möglichst feingranular und effizient zu erfüllen.
- Vorweggenommen: Damit bietet der S-Link im täglichen Betrieb auch keinen nennenswerten Klima-Mehrwert gegenüber dem oberirdischen Öffi-Netz im Jahr 2040.
- Klarstellung: Dieses Argument wird auch durch die UVP unterstützt, die Kompensationen von PKW-Kilometern in nur sehr bescheidenem Umfang ausweist.
- Der S-Link leistet damit in Bezug auf das Klima und die Vermeidung von Stau nur wenig, das nicht auch andere Öffi-Angebote zu leisten imstande wären.
- Der S-Link ist damit, anders als in Klimaschutzkreisen gerne behauptet wird, KEIN transformationsrelevantes Projekt, das 600.000 Tonnen CO2-Emission auf dem Weg zu kritischen Kipppunkten des Klimawandels als Kollateralschaden durchgehen lässt!
- Kurz: Der S-Link ist ein Klima-Nullsummenspiel mit einem ewigen gigantischen CO2-Rucksack. Oder, wie ich es nenne: Greenwashing pur.
Zukunft: Ein Grund für den klimatechnisch gewünschten Umstieg vom Auto auf Öffis ist das Angebot. Durch die Sanierung des Nordastes der Lokalbahn wird dieses Angebot gerade verbessert. Jedoch wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne die S-Link-Verlängerung in gleichem Maß genutzt werden als mit. Der S-Link mutiert damit zu einem Extra-Service und ist kein „Bringer-Angebot“.
Zukunft: Viel wichtigere Gründe für den Umstieg vom Auto auf Öffis liegen in den Änderungen der Mobilitätsbedarfe der Menschen (z. B. Arbeitsmarkt oder Lebensphase) und gesetzlichen Regelungen (z. B. CO2-Preis oder Verbrenner-Verbot).
Zukunft: Ebenso werden technologische Neuerungen (z. B. autonomes Fahren) und die Digitalisierung im weitesten Sinn die Range an klimaneutralen Mobilitätsoptionen radikal erweitern.
Abspann: Abschließend verweise ich noch auf folgenden, sehr befremdlichen Spruch, der als Begründung zu Einwänden gegen mangelnden Klimaschutz im Rahmen der UVP-Prüfung des S-Link-Projektes ergangen ist.
„Zur … CO2-Problematik bzw. des mangelhaften Klima- und Energiekonzepts (insbesondere aufgrund der nicht berücksichtigten Treibhausgasemissionen [z. B. für Erzeugung von benötigten Beton, Stahl, Anlieferung Baumaterial und Abfuhr Aushub]) darf einhergehend mit dem Amtssachverständigen für Luftreinhaltung und Klimaschutz auf den Leitfaden für das Klima- und Energiekonzept im Rahmen von UVP-Verfahren (BMLFUW, November 2010) verwiesen werden, nach dem Vorkettenemissionen im Klima- und Energiekonzept nicht zu berücksichtigen sind. Aus diesem Gesichtspunkt ist daher keine Verringerung (oder gar ein negatives) öffentliches Interesse an der Vorhabensumsetzung ableitbar.“
We want climate justice and we want it now! Es sieht so aus, als müssten die Bürger*innen der Stadt selbst und anstelle der Politik dafür Sorge tragen, dass auch im öffentlichen Verkehr Klimaschutz effizient umgesetzt wird. Auch wenn es bedeutet, aus der Zeit gefallene Regelungen im Rahmen der UVP-Prüfung außen vor zu lassen und auf Basis von zukunftsrelevanten Erkenntnissen zu entscheiden.
Und genau das sollten wir tun!
Ihr Lösungsvorschlag
Bitte senden Sie mir Ihren Lösungsvorschlag zu dieser Denksportaufgabe. Ich werde ihn bei weiteren Recherchen zum Thema und der Entwicklung der Vision eines „Plans A zur Salzburger Verkehrssituation“ berücksichtigen. | *) Pflichtfeld
Datenschutzbestimmung: Ihre Antworten werden ausschließlich anonymisiert in die Arbeit der Soko Zukunft | S-Link einfließen. Die SOKO Zukunft ist ein offenes Rechercheformat zur Erörterung von Zukunftsfragen aus der Sicht betroffener Menschen. Ihre Daten werden in keinem Fall an Dritte weitergegeben.
Denksportaufgabe Nr. 004
Tipp!
Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040.
Lesetipps
Mehr Informationen zum Thema finden Sie in folgenden Beiträgen auf Unbehagen.at
004 Liebes Klima-Christkind … » | Der S-Link ist weit weniger klimarelevant als oft behauptet.
021 Miese Klimabilanz » | Dass der S-Link beim Klimaschutz Wirkung zeigt, wissen wir – aber das Gesamtpaket passt eben nicht …
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