S-Link EXTRA | G | Grundlinien im Projekt
Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 04 | 8.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.
Liebes Klima-Christkind …
… und bitte schau, dass niemand draufkommt!
Es stimmt, mit folgender Hypothese lehne ich mich wohl sehr weit aus dem Fenster. Ich meine, wenn ich rotzfrech infrage stelle, dass der S-Link-Tunnel die vollmundig angekündigten Klimaversprechen, die ihm vorauseilen, auch einlösen kann. Und dass die verbreitete Argumentationskette, wie und in welchem Zeitraum die Klimabilanz dieses Projektes ins Positive kippt, mehr Wunsch als erreichbares Ziel zu sein scheint. Leider aber ist angesichts sich widersprechender und unklarer Informationen eine gewisse Skepsis gegenüber der Klimawirksamkeit des Tunnelprojekts mehr als angebracht. Vor allem deshalb, weil nicht nur bekannte Sachverhalte und Indizien in diesem Fall gegen die Klimaversion der Landes- und der Bundesregierung sprechen, sondern weil gleich mehrere Motive auf dem Tisch liegen, die zum „Zocken“ in der Klimafrage einladen.
Mir als jemand, der sich voll mit den Anliegen der (zivilen) Grün-Bewegung identifiziert und sogar schon versucht hat, bei den (politischen) Grünen anzudocken, fällt es extra schwer, den Kolleg*innen mit meiner Skepsis derart in die Parade zu fahren. Aber letztendlich geht es auch in der Klima-Diskussion darum, zu liefern und nicht nur das Grüne vom Himmel zu versprechen. Sie finden deshalb noch weitere Beiträge auf Unbehagen.at, in denen ich darlege, warum ich dem S-Link-Projekt keine besondere Klima-Relevanz zuspreche.X) Dabei lege ich mein Augenmerk auf einige der zitierten Studien und Gutachten bzw. der Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden. Zudem geht es um das Gesamtprojekt „Klimaschutz“ unter der Prämisse „we want it now“. Darüber hinaus steht zu befürchten, dass für das Klima relevantere, effizientere, innovativere und vor allem günstigere Projekte durch das Ressourcen-Monster S-Link blockiert werden.
Und ich werde der hohen Wahrscheinlichkeit nachgehen, warum beim S-Link das „Korrelations-Kausalitäts-Dilemma1)“ voll durchschlagen könnte. Das klingt jetzt extra schlau, ist aber ganz einfach erklärt. Gemeint ist, dass die Früchte engagierter Klimapolitik (wo und durch wen auch immer) zwar während der Ära des S-Link geerntet werden, also statistisch korrelieren. Dass jedoch der S-Link selbst zum Klimaschutz kaum Beiträge leisten wird, also nicht kausal dafür verantwortlich zeichnet. Ich weiß, es gehört zum „Zocken“ um die Legitimation kritischer Anliegen dazu, dass man im Strom positiver Entwicklungen mitschwimmt, ohne nachweisen zu müssen, dass man selbst Beiträge dazu leistet. Genau deshalb ist ja „Green Washing“ so in Mode gekommen. Der Einsatz von 2 Mrd. Euro Steuergeld und meiner Selbstachtung sind mir jedoch zu hoch, um dieses Spiel ruhigen Gewissens mitzumachen. Ich verspreche aber an dieser Stelle, es anzuerkennen, sollte ich im Zuge meiner Recherchen auf plausiblere Klima-Argumente pro S-Link stoßen, als sie bisher seitens der Salzburger Landesregierung veröffentlicht worden sind.
Meine Top 3 Klima-Kritikpunkte im Überblick
Es wurden die Klimabelastungen der Bauarbeiten selbst (insbesondere durch den Einsatz von Beton2)) in den vorliegenden Gutachten und Studien nicht adäquat berücksichtigt.
So schwanken die Aussagen zur CO₂-Amortisation dieses bzw. vergleichbarer Projekte zwischen 5 und über 100 Jahren.X) Entscheidend dabei sind die Annahmen, die seitens der Expert*innen für die jeweilige Hochrechnung unterstellt wurden. Und die reichen von „Es fahren alle, die könnten auch wirklich mit dem S-Link und verkaufen deshalb ihr Auto“ bis zu „Macht euch keine zu großen Hoffnungen, der Mensch lernt nur ungern und langsam.“ Was jedoch zu kurz kommt, sind in Expert*innen-Kreisen akkordierte Modelle, wie die Menschen in 10–15 Jahren auf die dann verfügbaren Mobilitätsangebote reagieren werden – nicht sollen.3)
Die rasante technologische Entwicklung klimafreundlicher und zudem effizienter Nahverkehrssysteme wird scheinbar bewusst aus der S-Link-Diskussion herausgehalten.
Dass z. B. ein möglicher Einsatz autonomen oder teilautonomen Fahrens höchstwahrscheinlich früher spruchreif sein wird als die Fertigstellung des S-Link, ist ein offenes Geheimnis.X) Dass damit die Individualisierung des öffentlichen Verkehrs zu überschaubaren Kosten und infolge dessen als attraktiver Ersatz des klassischen privaten PKW ein Thema sein wird, wurde bis dato nicht erwähnt. Darin aber liegen weitaus größere Hebel, Klimapolitik effektiv zu gestalten, als mit einer Betonröhre, durch die halb leere Züge geschickt werden.X)
Die laufende und rasante Veränderung unser aller Lebensrealitäten wird beim aktuell beworbenen Mobilitätskonzept nur unzureichend gewürdigt.
Das gilt auch für das Klimathema. Ich unterstelle dabei (siehe Kausalität vs. Korrelation), dass z. B. die Digitalisierung der Allgemeinheit weit mehr positive Klima-Effekte in Salzburg erzeugen wird als der S-Link.X) Und zwar nur auf den Bereich Mobilität reduziert! Darüber hinaus werden die anstehenden Veränderungen in vielen Kernbereichen unserer Gesellschaft4) unsere Mobilität und damit unseren Klima-Fußabdruck nachhaltiger beeinflussen als nur die Auswahl der Verkehrsmittel. Insbesondere jener Verkehrsmittel, die fix verbaut die Menschen dorthin bringen, wo sie in 15 Jahren gar nicht (mehr) hinmüssen.
Klar, wenn mir heute jemand die rosigen Geschichten der S-Link-Befürworter*innen rund um seine Klimarelevanz erzählt, finde selbst ich, dass all das schön klingt und toll wäre, würde es Realität.5) Lediglich bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Erzählungen gegen Null geht. Daher melde ich an dieser Stelle vehement Einspruch an, dass das zuständige Bundesministerium das Projekt schon jetzt als klimarelevant einstuft, ohne in seiner Argumentation auf die oben genannten Kritikpunkte näher eingegangen zu sein. Vielleicht liegt es daran, dass es kurzfristig Klimaprojekte gebraucht hat, um der EU den österreichischen Klimafahrplan 2030 schmackhaft zu machen. So aber existieren eine als harte Fakten getarnte Wunschliste ans Klima-Christkind und die stillen Gebete einiger, dass niemand draufkommen möge, dass hier hoch gepokert wird.
Salzburg, 9/2024 – Gerd
1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text
1) Kausalität bedeutet, dass Handlung A Ergebnis B verursacht. In einer Korrelation werden hingegen eine Handlung A mit einer Handlung B in Beziehung gesetzt, ohne dass ein Ereignis zwingend das andere Ereignis zur Folge hat.
2) In grünen Kreisen wurden bis vor kurzem die lange Zeitspannen bis zu einer positiven CO2-Bilanz einzelner Projekte hingenommen. Mit dem Klima-Fahrplan 2030 der österreichischen Bundesregierung hat das jedoch ein Ende. Per sofort wird auch die Bauwirtschaft in die Pflicht genommen und, wenn alles gut läuft, der Einsatz von CO2-neutralem Zement verpflichtend vorgeschrieben. Eine in Zeiten drohender Klima-Kipppunkte dringende Abkürzung in Richtung ausgeglichener Klima-Bilanz. Auch wenn damit die Argumentationskette vieler grüner Initiativen ausgehebelt wird.
3) Beispiele seriöser Visionsarbeit rund um Mobilität:
- Raum | Räume transformieren, Zukunft gestalten – The Future:Project AG – diverse Autor*innen, 2024
- Österreichs Mobilität in 100 Jahren | Studie der Technischen Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften – diverse Autor*innen, 2023
- Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft – Gerd Sendlhofer, 2024
- Zweite Meinung | Die Welt von Morgen als Basis einer visionsorientierten (Business-)Planung – Gerd Sendlhofer, 2024
4) Kernbereiche unserer Gesellschaft: Wohnen, Arbeit, Wirtschaft, Verwaltung, Versorgung, Freizeit, Tourismus, Regionalisierung, Altersstruktur, Soziales u.v.m.
5) Bitte checken Sie selbst: https://mobilitaetsloesung.at/ | https://www.s-link.at/
X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge
Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:
014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt
016 Studie vs. Studie » | Es sind einige Studien zum S-Link im Umlauf. Was davon können sie glauben und wo ist Skepsis geboten?
017 Was heißt produktiv? » | Was heißt es wirklich, Öffis- und Öffi-Infrastruktur produktiv zu bespielen?
021 Miese Klimabilanz » | Dass der S-Link beim Klimaschutz Wirkung zeigt, wissen wir – aber das Gesamtpaket passt eben nicht …
024 Technologien der Zukunft » | Die Kunst ist, schon heute zu wissen, auf welche Innovationen wir in Zukunft setzen werden.
Denksportaufgabe | D04 Klimarechnen » | Eine echt schlechte Bilanz: 600.000 Tonnen CO2, die sich nicht und nicht wegrechnen lassen.
Tipp!
Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.
Linkliste
Warum dieser Blog?
Zum S-Link Workbook »
Zum Next Exit »
Zur Projektgesellschaft »
Zur Neuen Mobilitätslösung »
Zur den Gegner*innen »
Business-Novelle: Von A nach C »
SOKO Zukunft (Info): Zukunftsforum »
Crowd-Funding: Spendenaufruf »
Ihr Feedback
Mit dem Beitrag einverstanden? Oder fehlt etwas bzw. stimmt etwas nicht? Dann geben Sie mir bitte ein Feedback.
Datenschutz: Die übermittelten persönlichen Daten werden in keinem Fall an Dritte weitergegeben. Mehr zu den Datenschutzbestimmungen »
*) Pflichtfeld