S-Link EXTRA | F | Faktencheck
Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 28 | 6.10.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.
Versuch und Irrtum
Agil geht anders!
Achtung – Manöverkritik: Jenen, die in den letzten Monaten die News zum S-Link genauer verfolgt haben, wird aufgefallen sein, dass von diesem Projekt, das seit einer gefühlten Ewigkeit geplant wird, relativ wenig fix zu sein scheint. So taucht immer wieder – und durchaus berechtigt – Kritik an fertigen Planungen auf, die kleingeredet werden muss. Trassen werden nach Bürger*innen-Dialogen wieder umgezeichnet, als hätte man nicht schon vorher gewusst, wo die Kritikpunkte gelagert sind oder gar diese Dialoge früher führen können1). Und sogar der weitere Trassen- bzw. der Innenstadt-Tunnelverlauf scheint noch nicht fix und damit final kalkulierbar zu sein. Klar, Bauprojekte sind immer abhängig von den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten, auf die man erst bei der Umsetzung trifft. Doch so kurz vor der finalen Entscheidung pro oder kontra S-Link essenzielle Basics zum Projekt nicht konkret beschreiben zu können, geht gar nicht!
Für mich deutet daher alles darauf hin, dass dieses Projekt nach dem Prinzip „Trial and Error“ (Versuch und Irrtum) vorangetrieben wird. Und zwar schon über mehrere Jahre und mit bisher 30 und mehr Millionen Euro an Planungskosten.
Vielleicht liegt es ja am Projektverständnis? Seitdem in der IT-Branche der Kampf gegen die stete Ressourcenknappheit durch agiles Projektmanagement besser zu handhaben ist, agiert die halbe Welt nur noch „agil“. Besonders jene Kreise, die irgendwelche – nur keine IT-Projekte – leiten (nicht managen, wohlgemerkt, da ist ein Unterschied!), sehen jetzt endlich Land. „Schau ma mal, dann seh‘ ma schon!“ Mut zur Lücke ist das neue Projekt-Dogma. Die konkrete Beschreibungen von Maßnahmen und deren Wirkung (!) sind hinderlich, Meilensteine Mumpitz und Ziele ab jetzt so berechenbar wie der Laufweg eines Hasen auf der Flucht. Da kann es schon passieren, dass Zielsetzungen und teuer erarbeitete Projektergebnisse im Monatstakt verworfen oder überarbeitet werden müssen. Egal, Hauptsache, man bleibt in der Arbeit, in den Aussagen oder im Controlling „agil“ und damit nie angreifbar. Außer jemand – wie beispielsweise Bürger*innen – verlangt konkrete Auskunft …
Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Projektmanagement- und Planungsstuben des S-Link! Bitte entschuldigt, dass ich mich derart provokant und polemisch in Eure Arbeit einmische. Ich bin trotz dieses harschen Beitragsintros der festen Überzeugung, Ihr leistet fachlich hervorragende Arbeit, zeigt höchsten Einsatz und seid mit Herz und Hirn voll bei der Sache. Warum aber passiert es immer wieder, dass Dinge, die längst konkret ausverhandelt oder durchgerechnet sein sollten, wieder und wieder überarbeitet werden müssen? Dass trotz langer und intensiver Vorarbeiten und dem (hoffentlich) ständigen Austausch mit der realen Welt noch so viele Fragen offen sind und viele der gegebenen Antworten nur eine begrenzte Haltbarkeit haben.2) Ich habe dazu eine Theorie.
Nämlich, dass durch den „Under Cover“-Projektstart der eigentlich nötige Dialog mit den Betroffenen, ergo den Bürger*innen, nicht in dem Maße stattgefunden hat, wie es üblich sein sollte. Denn die wollen es ganz genau wissen, inwieweit sie selbst davon betroffen sein werden und ob sie mit den Folgen des Projektes klarkommen. Für sie geht es auch um den Preis, den sie persönlich und als Gemeinschaft für die von der Politik versprochenen Wohltaten zu zahlen habenX). Okay, es ist einfacher, mit den Baggern aufzufahren, die Details dazu jedoch erst dann zu klären, wenn das Ding abgerissen, planiert oder ausgebuddelt ist. Da kann es schon stören, wenn plötzlich eine Bürger*innen-Initiative Antworten auf Fragen möchte, die nie gestellt werden sollten. Dafür, liebe Kolleg*innen, könnt Ihr selbstredend nichts. Das haben Eure Auftraggeber*innen so entschieden und müssen jetzt damit klarkommen, dass die kritische Einbindung der Öffentlichkeit im Zeitraffer vonstattengehen muss.
Das führt in der öffentlichen Wahrnehmung wiederum dazu, dass nach (fast) jeder Promo-Veranstaltung irgendeine Planung, die längst im Marketing gelandet ist, verworfen werden muss. Kein Wunder, wenn sich in der beobachtenden Bevölkerungsmehrheit – nicht beim aktiven Pro-Lager – der Eindruck verfestigt, dass ein Ende mit Schrecken die mutigere, jedoch richtige Entscheidung wäre. Der gegenwärtige Zustand fördert weder die Projektarbeit noch hilft es, Vertrauen bei den Menschen zu erzeugen. Im Gegenteil: Die zur Schau getragene Unfertigkeit des Projektes gibt eher das Gefühl, es mache wenig aus, es doch noch einzustampfen. Egal, wie hoch der Einsatz bisher war, der drohende Schaden scheint das bisherige Investment bei weitem zu übersteigen. Damit wird auch nachvollziehbar, warum der inhaltliche Dialog der Verantwortlichen mit den Bürger*innen via Medien einer platten Marketingkampagne weichen musste. Einer Flut an Stehsätzen und Versprechungen, die mit der Arbeit der Planerinnen und Projektant*innen herzlich wenig zu tun haben.X)
Genau diese Situation, die bei Infrastrukturprojekten öfter eintritt als viele denken, war der Grund, dass ich mich in meinem Buch „Von A nach C“3) auch mit dem politisch unterlegten Management von Verkehrsprojekten auseinandergesetzt habe. Dieses hat den Bedürfnissen der Bürger*innen geschuldet durchaus noch Züge klassischer Planung, verbindlicher Ziele und offener Kommunikation in sich. So beschwerlich, selbstkritisch und vor allem „old school“ dieser Weg anmuten mag: Er führt sicherer zum Ziel als „Versuch und Irrtum“.
Salzburg, 10/2024 – Gerd
1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text
1) Es wird beispielsweise die Trasse durch Rif nach Bürger*innen-Protesten umgeplant, die (bisher illusorische) Planung des Streckenabschnitts „Alpenstraße Süd“ (ebenso illusorisch) neu aufbereitet oder die Haltestelle in Anif erst im zweiten Bürger*innen-Dialog fixiert. Alles mit der Befürchtung, dass zwar neuerliche Umplanungen nicht ausbleiben werden, dafür nach der Abstimmung jedoch die Dialoge.
2) Nachdem die Plankosten des Projektes für drei Varianten sehr konkret zwischen rund 2 und 2,8 Mrd. Euro festgeschrieben wurden, hat in einem Interview für die Salzburger Stadtnachrichten am 3.10.2024 der Aufsichtsratsvorsitzende der Projektgesellschaft mit 2,6 Mrd. Euro eine neue Untergrenze eingezogen! Autsch, schweres Foul.
3) „Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft – mit S-Link Salzburg“ | Business Novelle | Gerd Sendlhofer im Eigenverlag | Salzburg, 2024 – www.business-novelle.eu
X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge
Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:
008 Wahltaktische Eigentore » | Was tun politische Parteien in Not? Sie starten einen Wahlkampf.
009 Was kostet ein Tunnel? » | Die Kosten für die Tunnelstrecke sind am Tisch. Aber, halten sie auch?
Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben.
Tipp!
Es geht um Ihre Meinung, nicht meine. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.
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Warum dieser Blog?
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