S-Link EXTRA | F | Faktencheck

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 27 | 4.10.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Entlasten, nicht verdichten

Von der Natur lernen

Nicht nur umweltaffine Menschen wissen längst, wie überbordenden Massenbewegungen am besten beizukommen ist. Wie wir angesichts der Häufung von Flutereignissen in der nahen Vergangenheit lernen durften, führt die Kanalisierung von Flüssen eher zur Katastrophe als breite Läufe mit Hochwasserpuffern. Diese Erkenntnis lässt sich hervorragend auch auf das Management von Verkehrsbelastungen umlegen, die fallweise oder permanent kritische Schwellenwerte überschreiten. Auch hier lautet die Lösung, das System zu entlasten und nicht weiter Druck aufzubauen.

Dazu ein Beispiel: In regulierten Flussläufen fließt gleich viel Wasser mit höherer Geschwindigkeit und damit größerer Wucht talwärts als in unregulierten. Das ist so lange ungefährlich, solange das Wasser nicht überläuft und dabei Schaden anrichtet. Genau deshalb fordern Ökolog*innen die Renaturierung von Flüssen und Landschaften, um einem Hochwasser die Kraft zu nehmen und der Natur die Möglichkeit der Deeskalation zu geben. Es geht darum, dann, wenn die Belastung zu groß wird, mehrere Ausweichrouten anzubieten und nicht zu versuchen, die Massen noch schneller und in immer größeren Einheiten von A nach B zu drücken. Das funktioniert bei Wasserläufen ebenso wie bei Veranstaltungen (Massenpanik), beim Sturm auf das Buffet oder im Verkehr, wenn sich dieser nicht (nur) auf starre Linien konzentriert, sondern auch die „Fläche“ mitgedacht wird. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch ein Gesamtkonzept, das die Entlastung von Hauptbewegungsachsen zum Inhalt hat und nicht deren stete Verdichtung – sowohl bei der Gestaltung von Wasserläufen als auch bei der Lenkung von Menschenmassen oder Verkehrsströmen.

Jetzt scheint genau dieser Ansatz beim S-Link nicht gewählt worden zu sein. Hier setzen die Verantwortlichen darauf, über eine neue Schleuse noch mehr Verkehrsdruck in bzw. durch die Innenstadt aufzubauen. Dazu aber wird sich das Argument, der Tunnel würde die Verkehrslast in den Untergrund verlagern und verteilen und damit die Oberfläche freispielen, nur schwer verfangen. Im Gegenteil: Es wird punktuell mehr Zielverkehr erzeugt, wenn immer mehr Menschen über diese eine Achse in die Innenstadt gepumpt werden (Stichwort „Overtourism“).1) Dazu kommt, dass trotz des S-Links ein ihn „begleitendes“ oberirdisches Öffi-Angebot notwendig bleiben wird. Zwar träumen die Betreiber*innen des S-Link laut davon, dass die unterirdische Eisenbahn als Zubringer-Achse für einige Buslinien dienen könnte. Dass das jedoch in überbordendem Maße im Zentrum der Stadt passiert, bleibt wohl mehr Wunsch als plausible Zielsetzung. Eher werden sich diese redundanten AngeboteX) kannibalisieren, als einander Fahrgäste zuspielen (Stichwort: Umsteigen über 8 Stockwerke2)). Den PKW-Verkehr von den genannten Innenstadtrouten zu bringen, hat wiederum nichts mit dem S-Link, sondern mit einer mutigen Stadt- und konsequenten Klimapolitik zu tun.

Die Herausforderung zur Verkehrsberuhigung der Innenstadt liegt offensichtlich darin, den Zielverkehr in und den Transitverkehr durch die Stadt zu trennen und über gesonderte Routen zu führen, sobald kritische Werte überstiegen werden (Beispiel: Rushhour). Wenn ich in einer Denksportaufgabe in diesem Blog anrege, sich den S-Link einfach ohne Schienen vorzustellen und damit den gesamten Transit (PKW und Öffis) unter die Erde zu bringen, ist das nur als erste Übung gedacht, um die Mobilitätsbedarfe entlang der Innenstadtroute gedanklich zu trennen. Ziel dieser Übung ist es vielmehr, den Salzburger Stadtverkehr nicht mehr über ein einziges Angebot steuern zu wollen, sondern zeitlich und lokal passgenaue Strukturen zu schaffen. Ob es sich um bauliche Verbesserungen an bestehenden Routen dreht oder gar die Einführung neuer Liniensysteme und Technologien für das Öffi-Netz, sei einmal dahingestellt. Es wird wahrscheinlich ein Mix aus mehreren (hoffentlich innovativen) Komponenten unter Einbeziehung neuer Technologien sein, der schrittweise, jedoch noch vor 2040X), den Weg aus der Salzburger Verkehrsmisere weist.

Für diese Hypothese lassen sich übrigens hervorragend Studien heranziehen, die von Stadt und Land Salzburg selbst in Auftrag gegeben wurden und aktuell sogar zitiert werden. Und natürlich Studien, die sie in Auftrag hätten geben sollen, es aber nicht getan haben.3) Eines der Hauptwerke für die Planung des S-Link ist die „Aktualisierung Verkehrsuntersuchung S-Link 2040“ von der ZIS+P Verkehrsplanung aus Graz. Darin wird sehr eindrücklich geschildert, wie sich die nachgefragten Öffi-Fahrten entlang der Hauptrouten im Salzburger Stadtverkehr weiter entwickeln und wo zusätzliche Kapazitäten gebraucht werden. Dass dabei von einem Riesenpotenzial an Öffi-Nachfrage auch künftig durch die Innenstadt ausgegangen werden kann, ist selbstredend und natürlich unumstritten. Nicht für erwiesen halte ich hingegen, dass es dem S-Link gelingen wird, viele Fahrgäste auf gleicher Strecke von den anderen Öffi-Linien zu kapern.X) Es wurde in dieser Studie aber auch prioritär untersucht, wie sich die Verkehrssituation entlang der S-Link-Route entwickeln wird, ohne jedoch über Gebühr andere Verkehrsstrategien mitzudenken. Klar, diese Studie wurde von den Betreiber*innen des S-Link in Auftrag gegeben und muss daher auch deren Geschäftsmodell zum Inhalt haben. Von Stadt und Land Salzburg aber hätte ich anderes erwartet.

Hätte von Beginn an der Auftrag an die Projektgesellschaft gelautet, „Löse das Verkehrsproblem“ und nicht „Baue eine Eisenbahn“, dann wären auch andere Lösungsvorschläge zur Entlastung der Innenstadtrouten gekommen. So wie beispielsweise den Verkehr künftig zeitgemäß, flexibel, bedarfsorientiert und vor allem getrennt nach Ziel- und Transitverkehr zu organisieren, um damit Spitzen zu entschärfen. So als würde das Salzburg des Verkehrs wieder „renaturiert“ werden.

Ich empfehle der Salzburger Politik daher dringend, egal ob der S-Link gebaut wird oder nicht, die gegenwärtige Strategie, jeglichen Verkehr koste es, was es wolle, durch und in die Innenstadt zu pressen, noch einmal zu überdenken. Es zahlt sich aus!

Salzburg, 10/2024 – Gerd

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) In mehreren (spannenden) Denksportaufgaben widmen wir uns sehr plausiblen Fahrgast-Szenarien an der S-Link-Haltestelle Rudolfskai/Staatsbrücke – 8 Stockwerke unter Tag.

2) Angesichts der nötigen Haltestellendichte im öffentlichen Verkehr und der Umstiegshöhe von teilweise über 8 Stockwerken vom S-Link auf die oberirdischen Öffis schleiße ich aus, dass über die Kurzstrecke die Salzburger*innen stationsweise den S-Link nutzen werden, um später doch noch umsteigen zu müssen.

3) Witzigerweise ist mir keine Studie bekannt, aus der hervorgeht, ob die Menschen, die vom Auto auf den S-Link umsteigen sollen, das auch tun werden. Die einzige Umfrage, die ich kenne, ist jene, ob ab heute eine Eisenbahnlinie gebaut werden soll, die erst in 15 Jahren voll betriebsfähig sein wird. Ich vermute jedoch, dass das hier unterstellte Umsteiger*innen-Potenzial längst durch das dann optimierte Öffi-Angebot gehoben wurde. Und das trotz aller „Push“-Pläne der S-Link-Betreiber*innen und der Hoffnung, dass Angebot auch Nachfrage schaffen würde, diese Szenarien ins Leere greifen werden. Dazu ist der S-Link zu redundant gegenüber dem bestehenden Öffi-Netz in der Landeshauptstadt und folgt zudem nicht dem Bedarf der Menschen, weiter individualisiert mobil zu sein.

    X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

    Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

    014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt! | https://unbehagen.at/wie-tickt-2040/

    025 Politik im Dilemma » | Über Jahre zu verhindern, dass günstigere und bessere Alternativen zum S-Link entwickelt werden, rächt sich jetzt. | https://unbehagen.at/politik-im-dilemma/

    026 Redundanzeffekte » | Wenn Konkurrenz den Finanzierungsbedarf steigert, statt die Preise zu senken. | https://unbehagen.at/redundanzeffekte/

    Push-Mythen: in Arbeit

    Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben: in Arbeit

      Tipp!

      Es geht um Ihre Meinung, nicht meine. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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