S-Link EXTRA | F | Faktenchecks

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 21 | 20.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Miese Klimabilanz

3:1 gegen den S-Link

Jetzt habe ich doch glatt eine Klimadiskussion um den öffentlichen Verkehr vom Zaun gebrochen und damit ein Tabu verletzt. Daher sei gleich zu Beginn dieses Beitrags klargestellt: Öffis sind natürlich klimarelevant und ein wichtiger Schlüssel zur Rettung der Erde. Es braucht daher schon jetzt und langfristig mehr und bessere Angebote im öffentlichen Verkehr, als wir sie heute haben. Wir leben jedoch in der glücklichen Situation, gleich mehrere Kriterien für wirksamen Klimaschutz in einer Langfrist-Bilanz gegenüberzustellen. Und da hat der S-Link nun einmal echt schlechte Karten. Jetzt aber von Beginn an.

Das Redundanz-Dilemma

Die „Salzburger Mobilitätslösung“1) wirbt aktuell sehr prominent damit, dass durch den Betrieb des S-Link im Zusammenspiel mit den anderen Planungen nennenswerte PKW-Kilometer2) eingespart werden. 136.000 PKW-Kilometer pro Tag sollen es allein schon beim Ausbau der Kernleistungen der Mobilitätslösung sein, 219.000 sogar bei Verknüpfung mit dem ÖBB-Netz. Das wären drei bis fünf Umrundungen des Erdballs, die nicht mit dem Auto, sondern mit Öffis und damit klimaneutral bewerkstelligt werden. Witzigerweise kommen die Kritiker*innen des S-Link-Tunnels (jedoch nicht der restlichen Mobilitätslösung!) auf exakt das gleiche Ergebnis. Und das ohne den S-Link. Wie geht das denn?

Ganz einfach: Im Gegensatz zur Verbesserung des Nordastes der Lokalbahn oder dem Bau einer Bahnverbindung in den Osten des Flachgaus ist das Angebot des (innerstädtischen) S-Links redundantX). Redundanz steht in diesem Zusammenhang dafür, dass der S-Link nur ein „Mehr vom Gleichen“ ist – ein zusätzliches Öffi-Angebot auf einer Achse, die bereits heute und auch in Zukunft von Öffis bedient wird. Die genannten Wirkungszahlen lassen sich daher fast vollständig auch auf ein (bis 2040 optimiertes) oberirdisches Öffi-Angebot auf der Nord-Süd-Verbindung umlegen3). Damit kommt auch die ursprüngliche Bedeutung von „redundant“ bei der Beurteilung des S-Link voll zur Geltung: unnötig!

PS: Ich unterstelle zudem, dass die zitierten Expert*innen und Gutachter*innen im Rahmen der UVP genau das bestätigt haben. Nämlich, dass der S-Link das auch können wird, was eine ambitionierte oberirdische Öffi-Strategie zu leisten imstande istX).

Teilergebnis Klimarelevanz: 1 (kontra S-Link) zu 1 (pro S-Link)

Das echte Einsparpotenzial

Es gibt zwei Ansatzpunkte, um Klimarelevanz zu erzeugen, indem PKW-Kilometer auf Öffis umgeleitet werden. Einerseits durch die Verbesserung des Öffi-Angebots. Das geschieht in der „Salzburger Mobilitätslösung“ überwiegend im Umland, z. B. durch die Aufwertung des Nordastes der Lokalbahn und andere gute Verbindungen in den Flachgau. Innerstädtisch sollten diesbezüglich die Hoffnungen nicht zu hoch angesetzt werden. Dass dieses Umland-Mehr an Öffi-Nutzung jedoch nur an den S-Link weitergegeben werden kann, ist in diesem Zusammenhang zwar eines der Argumente des Pro-Lagers. Es könnte an den nötigen Verkehrsschnittstellen aber auch das (bis 2040 optimierte) Öffi-Angebot der Stadt ins Spiel gebracht werden. Dazu lesen Sie bitte noch einmal das vorangegangene Redundanz-Kapitel.

Andererseits passiert die meiste Wirkungsarbeit, um den PKW-Verkehr auf Öffis umzusatteln, an ganz anderer StelleX). Dazu braucht es jedoch eine konsequente Klimapolitik (inkl. Verbrenner-Aus), eine mutige Stadtpolitik (Innenstadtsperre), einen hohen Digitalisierungsgrad, die Antizipation der Veränderungen auf dem Arbeits-, Wohnungs- und Freizeitmarkt und eine sparsame, jedoch wirkungsorientierte Finanzgebarung der öffentlichen Hand. Hier entscheidet sich, ob das Ziel, im Modal Split den MIV-Anteil zurückzudrängen, erreicht werden kann, und nicht durch die Schaffung möglichst vieler redundanter Mobilitätsoptionen. Denn eines sollte allen klar sein, die in der S-Link-Diskussion auf die Zukunft setzen: Der Bedarf an Mobilität wird steigen. Dieses Plus wird überwiegend durch den „kleinen Individualverkehr“4) und den öffentlichen Verkehr getragen werden. Der Anteil des MIV am Modal Split wird damit automatisch sinken. Die (absolute) Anzahl der mitzudenkenden PKW wird jedoch weiter hoch bleiben. Etwas dagegen zu unternehmen, ist Sache der Meta-Politik, und in der kommt der S-Link nicht vor. Aus diesem Blickwinkel ist es daher klimatechnisch irrelevant, ob der S-Link gebaut wird oder nicht.

Teilergebnis Klimarelevanz: 1 (kontra S-Link) zu 0 (pro S-Link)

Der CO2-Rucksack

Jetzt kommt das wohl kürzeste Argument gegen den S-Link in Klimafragen. Wenn nämlich zur Vermeidung von (teuren, produktivitätsschädigenden) Redundanzen im Verkehrsangebot und zur Verlagerung von PKW- auf den Öffi-Verkehr der S-Link keinen nennenswerten Mehrwert gegenüber einer ambitionierten oberirdischen Verkehrsstrategie bringt, warum dann in einem Tunnel Unmengen an CO2-belastetem Beton verbauen? Aus dieser Perspektive werden alle Streitigkeiten um die rechnerische CO2-Amortisation des Tunnels zur Nebensache5). Man dürfte nämlich in der Bilanz nur jene Umstiege vom PKW auf den S-Link heranziehen, die ausschließlich durch die Existenz des S-Links und nicht durch ein allgemein gutes Öffi-Netz begründet sind (siehe Redundanz). Und diesen Klima-Break-even-Point bei einem Tunnelprojekt über die paar Handvoll Umsteiger*innen zu berechnen, brächte ein katastrophales „Viele-viele-Generationen-Ergebnis“. Wenn aber die dem S-Link unterstellten Ausgleichseffekte in der CO2-Bilanz ohnehin von jedem Öffi-Netz unabhängig vom S-Link erbracht werden könnten, warum dann überhaupt einen Tunnel bauen?

Teilergebnis Klimarelevanz: 1 (kontra S-Link) zu 0 (pro S-Link)

Abspann

Damit endet das Klima-Match kontra vs. pro S-Link mit einem klaren 3:1 für die Skeptiker*innen. Und mit der Hausaufgabe an Sie, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum wir für einen Eisenbahntunnel 2-3 Milliarden Euro ausgeben sollten, wenn wir die erhofften klimarelevanten Effekte auch auf kostengünstigeren Wegen erreichen könnten? Dazu und zur Erkenntnis, dass eben diese günstigeren Wege noch zusätzliche Ansätze klimaschonender Verkehrspolitik bringen werden, finden Sie weitere Beiträge in diesem BlogX).

Salzburg, 9/2024 – Gerd

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) Siehe: https://mobilitaetsloesung.at/pro-contra/#1721390897581-d46d5543-bd33

2) Bis zum Sommer wurde an gleicher Stelle noch der Begriff KFZ-Kilometer verwendet und erst nachträglich auf PKW-Kilometer umgedeutet. Ich gehe davon aus, dass den PR-Leuten gar nicht bewusst ist, dass sie damit die Bedeutung der Aussage grundlegend verändert haben – haben sie aber.

3) Unbestätigten (!) „Whistleblower“-Informationen zufolge spekuliert die Salzburger Verkehrspolitik damit, einen Gutteil des Bus-Angebots entlang der Nord-Süd-Achse streichen zu können, sobald die Eisenbahn in Betrieb ist. Bitte vergessen Sie das: Das oberirdische Öffi-Netz wird zum Zeitpunkt der S-Link-Eröffnung leistungsfähig, in pipifeinem Zustand und technologisch auf dem neuesten Stand sein. Weil das wird es brauchen, um auch innerstädtisch PKW-Fahrer*innen auf Öffis umsteigen zu lassen. Das hingegen mit einer fix verbauten Eisenbahn zu bewerkstelligen, grenzt an Wunschdenken. Sie finden in diesem Blog jede Menge Beiträge, die diese Annahme sehr plausibel unterstützen.

4) „Kleiner Individualverkehr“ = meine Umschreibung des Fußgänger*innen- und Radverkehrs.

5) Zu diesem Thema avisiert die Projektgesellschaft eine CO2-Amortisationszeit von 5-9 Jahren. Untersuchungen des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.) als Dachorganisation deutscher Umweltinitiativen haben hingegen eine Zeit von 100 Jahren und mehr für den Ausgleich des CO2-Ausstoßes bei vergleichbaren Projekten in Deutschland errechnet. Die Krux dabei: Dort werden nur jene Umstiege von PKW auf Öffis gezählt, die on top und nicht ohnehin stattfinden bzw. schon stattgefunden haben.

    X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

    Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

    004 Liebes Klima-Christkind … » | Der S-Link ist weit weniger klimarelevant als oft behauptet.

    014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt!

    016 Studie vs. Studie » | Es sind einige Studien zum S-Link im Umlauf. Was davon können sie glauben und wo ist Skepsis geboten?

    026 Redundanzeffekte » | Wenn Konkurrenz den Finanzierungsbedarf steigert, statt die Preise zu senken.

     

    Denksportaufgabe | D04 Klimarechnen » | Eine echt schlechte Bilanz: 600.000 Tonnen CO2, die sich nicht und nicht wegrechnen lassen.

    Tipp!

    Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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