S-Link EXTRA | P | Politik und Bürger*innen-Beteiligung

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 08 | 13.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Wahltaktische Eigentore

Sachpolitik braucht den Diskurs, kein Marketing

Was tun politische Parteien, wenn sie Bürger*innen von einer Vision überzeugen wollen, jedoch nur wenig Konkretes zu sagen haben? Sie starten eine Informationskampagne und eröffnen damit einen typischen Wahlkampf: offensiv, emotional, unverbindlich und vor allem taktisch geprägt. Das ist der Zeitpunkt, an dem listige Agenturen ins Spiel kommen, um tief im Unterbewusstsein der Menschen aktiv zu werden – jedoch ohne diese mit Fakten und Rechtfertigungen abzuschrecken. Ab jetzt geht es darum, Recht zu behalten, egal mit welchen Mitteln und zu welchem Preis. Dieser Zeitpunkt ist in der Diskussion um den Salzburger S-Link jetzt gekommen. Per 7.8. hat die Landesregierung höchstselbst ihren Wahlkampf gestartet. Und er wird Spuren hinterlassen. Zumindest glaube ich das, wenn ich eineinhalb Jahre Recherche zum S-Link als inneren Film an mir vorbeiziehen lasse.

Wow, jetzt habe ich doch glatt selbst einige Mutmaßungen in den Ring geworfen, zu denen ich Ihnen Erklärungen schuldig bin. Und teils auch noch länger schuldig bleiben werde, da einige meiner Recherchen noch in der Pipeline stecken. Ich werde Ihnen in diesem Blog aber noch alle Informationen nachreichen, die mich dazu bewegt haben, diesen Beitrag so pampig zu eröffnen – versprochen!

Beginnen wir mit der Frage, was Versprechen im Wahlkampf von klassischen unterscheidet. Wahlkampf-Versprechen werden selten so formuliert, dass man ihr Einlösen kontrollieren kann. Sie unterscheiden sich damit von Zielsetzungen, die klar formuliert, messbar, angemessen, realistisch und terminierbar sind. Wahlwerbung braucht hingegen nur eine plausibel klingende Begründung aus der Jetzt-Zeit, um daraus ein buntes Bild der Zukunft abzuleiten – ganz egal, ob dieses Bild jemals wahr werden kann oder nicht. Sie werden daher in der S-Link-Diskussion viele Zahlen präsentiert bekommen, die regelrecht nach Aktion schreien. Jene Studien, die diesen zugrunde liegen und die daraus abgeleiteten Schlüsse werden Sie jedoch nur selten einsehen dürfen. Denn die sind weit mehr interpretationswürdig, als viele glauben mögen. Daher sehe ich es als meine Hauptaufgabe, die aktuell und auch noch künftig präsentierten Daten und Deutungen der Landesregierung für Sie aufzudröselnX).

Lassen Sie uns dazu den ersten Sujets der Landesregierung auf den Zahn fühlen. Wenn Sie in folgenden Claims auch nur irgendeinen konkreten Hinweis darauf entdecken, dass es für das Erreichen der als Ziele getarnten Wohlfühlzustände einen Eisenbahntunnel unter der Altstadt braucht, dann Gratulation. Ich behaupte hingegen, dass Sie hier sehr suggestiv an der kurzen Wahlkampfleine geführt werden. Beispiele gefällig?

Mehr Radwege statt im Stau stehen? Das braucht keinen S-Link, sondern eine moderne und mutige Stadtplanung. Anstehende Projekte müssten jedoch sofort umgesetzt werden und vertragen kein Ewigkeitsprojekt, mit dem Versäumnisse möglichst lange ausgesessen werden können.

Ausbau der S-Bahn statt im Stau stehen? Eh klar, es gibt ja schon bestehende S-Bahn-Linien, die zwar den Bedarf gut abdecken, jedoch dringend weiterer Investitionen und einer Harmonisierung bedürfenX). Eine neue, redundant geplante S-Link-Lösung, die keine neuen Linienoptionen anbietet, ist nicht darunter.

Mehr Busverbindungen statt im Stau stehen? Das funktioniert eher, wenn die Verkehrslast über mehrere (neue) Knoten und nicht über eine weitere, bereits überversorgte Route verteilt wirdX). Und zwar ab sofort und nicht irgendwann.

Mehr Lebensqualität statt im Stau stehen? Viel Erfolg beim Messen Ihrer Lebensqualität heute und in 15 Jahren – und das in Salzburg, einer jener Städte weltweit mit Bestnoten für ihre Lebensqualität!

In solchen Worthülsen erkenne ich PR-Taktik feinster Prägung: nämlich in Fragen gefasste bunte Bilder, die in Ihnen wohlige Erwartungen wecken und unangenehme Fragen zum S-Link unterdrücken sollen. Sie entscheiden sich ab sofort nicht mehr für oder gegen eine Eisenbahn mit oder ohne Tunnel. Sie wählen quasi ein nettes, fürsorgliches Projektteam, das schon wissen wird, was es zu tun hat, um Salzburgs Verkehr neu zu ordnen. Das wird durch die Fragestellung bei der bevorstehenden Bürger*innen-Befragung noch einmal doppelt und dreifach unterstrichen1). Immerhin geht es ab sofort nicht mehr offiziell um den S-Link-Tunnel, inoffiziell rückt er damit aber umso mehr in den Mittelpunkt!X)

Ergänzt wird dieses taktische Manöver noch dadurch, dass das Projekt ab sofort nicht mehr unter der Bezeichnung „S-Link“, sondern „Die neue Salzburger Mobilitätslösung“ firmiert2). Besonders zum Schmunzeln bringt mich dabei, dass die Taktik weder neu noch zwingend erfolgreich ist, kritische Projekte mittels Namensänderung aus einem Image-Tief zu holen. Wer kennt nicht die ÖVP-Ableger „Liste Sebastian Kurz“, „Liste Tursky“ oder „Liste Nehammer“, die bei Wahlen für mehr oder auch weniger Erfolg gesorgt haben bzw. noch sorgen werden? Die Namensänderung soll laut ÖVP-Landesrat Stefan Schnöll übrigens deshalb erfolgt sein, weil der Begriff „S-Link“ bereits negativ mit einer Mini-U-Bahn konnotiert sein soll3). Na ja, das wird schon seinen Grund gehabt haben. Was also erwarten Sie? Dass die vielen Vorbehalte und die negative Stimmung gegen das Projekt jetzt nicht ruckzuck auf die neue Bezeichnung übertragen werden?

Mein Tipp an Sie, liebe Landesregierung: Versuchen Sie es künftig einfach damit, die Bürger*innen mit Sitz und Stimme ins Projekt-Boot zu holenX), anstatt sie mit Wahltaktik zu „nudgen3)“.

Salzburg, 9/2024 – Gerd

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) Fragestellung zur Bürger*innen-Befragung am 10. November 2024: „Soll das Land Salzburg darauf hinwirken, dass im Interesse der Verkehrsentlastung die Verlängerung der Lokalbahn bis Hallein (S-Link) als Teil einer Mobilitätslösung, die auch Stiegl- und Messe-/Flughafenbahn vorsieht, umgesetzt wird?“ | Stand: 13.9.2024

2) Siehe https://mobilitaetsloesung.at/

3) https://www.derstandard.at/story/3000000231460/salzburger-regierung-startet-info-offensive-zur-s-link-befragung | Übrigens wurde erst 2021 das Projekt von „Salzburg.Regional.Stadt.Bahn“ in „S-Link“ umbenannt.

4) „Nudging“ heißt die Veränderungen einer Entscheidungssituation (sogenannter Nudges), die dazu führen, dass Individuen ihre Entscheidungen auf vorhersehbare Art und Weise ändern. Auch wenn es vordergründig um „positive Einflussnahme“ gehen soll, nenne ich es Manipulation.

X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

001 Warum dieser Blog? » | Warum schrillen bei mir angesichts der Diskussion um den Salzburger S-Link die Alarmglocken?

002 Leute, beteiligt Euch » | Warum die Bevölkerung mitreden muss, wenn es um die Ausgestaltung künftiger Lebensrealitäten geht.

013 Worum geht es wirklich? » | Bei der kommenden Abstimmung geht es trotz aller anderslautenden Ankündigungen nur um den Tunnel

015 Bahn ist nicht gleich Bahn » | Auch wenn die Bahn Teil der smarten Zukunft der Mobilität sein wird, sie kann nicht alles können!

016 Studie vs. Studie » | Es sind einige Studien zum S-Link im Umlauf. Was davon können sie glauben und wo ist Skepsis geboten

019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

Tipp!

Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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