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Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 09 | 10.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Was kostet ein Tunnel?

S-Link-Finanzierung | Teil 1

Kaum zu glauben, aber wahr: Die Projektgesellschaft für den Bau des S-Link durch Salzburg traut sich, eine konkrete Kostenvorschau für den Bau der Bahnstrecke vom Salzburger Hauptbahnhof nach Hallein zu veröffentlichen – BRAVO! Das Besondere daran ist, dass sie damit eine einklagbare Preisobergrenze gezogen hat. Einen Maximalpreis, der als Verhandlungslinie für die Kostenaufteilung zwischen Stadt, Land und dem Bund gilt. Der aber auch ein Limit darstellt, an dessen Nicht-Überschreiten Politiker*innen-Karrieren gekoppelt sind. Das ist mutig, aber auch ehrlich!

Ich war erst sehr skeptisch ob dieser Ansage, zeigt doch die Erfahrung, dass langfristige Bauprojekte deren Plankosten durchaus um ein Vielfaches übersteigen können1). Doch nachdem der Salzburger Verkehrsverbund (SVV) auf meine zweimalige (!) Anfrage beteuert hat, dass die Berechnungen, so wie sie auf deren Website veröffentlicht sind (Stand 11. 9. 2024), ihre Richtigkeit haben, wage ich, dem erst einmal zu vertrauen. Lediglich die langfristige Entwicklung des Baupreisindex machte in diesem Zusammenhang den Kolleg*innen beim SVV etwas Kopfzerbrechen2). Da jedoch scheinen sie mit den in die Planung eingearbeiteten Puffern auf der sicheren Seite zu sein3).

Jetzt werden viele von Ihnen zurecht anmerken, dass es absolut unüblich ist, sich derart fix auf eine Kostensumme für ein Projekt festzulegen, dessen Ende erst in 15 Jahren geplant ist. Zu unsicher sind die Entwicklungen am Markt und zu unplanbar die möglichen Risiken. Daher noch einmal: Die Projektgesellschaft selbst hat diesen Maximalrahmen definiert. Und sie kann jetzt nicht mehr zurückrudern. Immerhin sind um die Kosten bereits heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Pro- und dem Kontra-Lager entbrannt. Damit wird Geld, einschließlich des Vertrauens in den wirtschaftlichen Umgang der Politik mit Steuergeldern, das Abstimmungsergebnis maßgeblich beeinflussen. Jetzt wieder Planungsspielräume als Unsicherheiten einzuarbeiten oder eine größere Bandbreite zu kommunizieren, wäre dabei kontraproduktiv.

Wie aber komme ich jetzt darauf, dass die Kostenansage der Projektplaner*innen so fix zu verstehen ist? Ganz einfach: Sie haben es selbst so formuliert. Unmissverständlich und – wenn ich den Expert*innen aus der Baubranche folgen darf – auch juristisch wasserdicht und vor allem öffentlich4). Nicht dabei sind in dieser Schätzung jedoch die Sanierung bzw. der Ausbau des Nordastes der Lokalbahn bzw. die Messe-Bahn und die Abzweigung in Salzburg Süd nach Elsbethen mit jeweils einer zusätzlichen Salzachquerung. Aber auch der Rest der Mobilitätslösung des Landes (z. B. Busse, Haltestellen etc.) ist in diesen Schätzungen nicht enthalten.

Aber ganz ehrlich: Ich wette an dieser Stelle einen Euro dagegen, dass die Projektgesellschaft bis ins Jahr 2040 mit diesen Berechnungen durchkommt. Ich persönlich schätze die Projektgesamtkosten für allein diesen Bauabschnitt auf mindestens 3 bis 4 Mrd. Euro. Nicht, weil ich glaube, die Unterlagen der Planungsgesellschaft besser zu kennen als sie selbst, sondern weil ich angesichts medial kolportierter Zahlen schon jetzt eine Überschreitung einiger Planungen sehe5). Zudem scheinen einige der bekannten Unbekannten im Projekt noch gar nicht berücksichtigt zu sein6). Und ich bin mir sicher, dass statt der jetzt diskutierten Variante 2 des Projektabschnittes die Variante 3 verfolgt werden wird, sobald es bei der Abstimmung grünes Licht gibt7).

Kritischer Abspann – Erkenntnisse:
  • Für die Variante 2 des S-Link auf dem Streckenteil zwischen dem Salzburger Hauptbahnhof und Hallein können die zur Abstimmung berechtigten Bürger*innen davon ausgehen, dass die Projektgesellschaft ehrlich, meiner Meinung nach aber auch vergeblich versuchen wird, die kumulierte Summe von rund 2,2 Mrd. Euro für alle Ausgaben bis ins Jahr 2040 nicht zu überschreiten. Für die Variante 3 sind es knapp 3 Mrd. Euro.
  • „Minimum ROI“: Ich persönlich halte den Preis, der für den erwartbaren Benefit dieser Investition bezahlt werden soll, für höchst unangemessen. Ich beziehe mich mit dieser Aussage darauf, dass im Gegensatz zu den Marketingversprechen, die derzeit durch die Medien geistern, an der tatsächlichen Wirkung des S-Link gegen den Stau und für eine Optimierung des öffentlichen Verkehrs höchste Skepsis angebracht istX)!
  • Sollte jetzt trotz eindeutiger Ankündigung dieser Kostengarantie durch den Salzburger Verkehrsverbund doch anderslautende Interpretationen dieser Zahlen auftauchen, wäre das als schweres Foul an den Wähler*innen zu werten!
  • Das gilt auch, sollten nach der Abstimmung die Plan-Zahlen nach oben revidiert werden.

Bleibt noch zu erwähnen, dass die wichtigsten und eigentlich relevanten Teile der angekündigten Salzburger Mobilitätslösung plus dringend anzupackender weiterer Projekte im Salzburger Regionalverkehr in diesen Berechnungen noch gar nicht enthalten sindX). Schätzen Sie daher (grob über den Daumen) die direkten und indirekten Gesamtkosten für das Gesamtpaket einer Salzburger Verkehrslösung ruhig auf rund 10-12 Mrd. Euro inklusive des S-Link. Und seien Sie sich bewusst, dass Sie mit einem NEIN bei der bevorstehenden Abstimmung rund 30-40 % dieser Kosten sparen können. Und zwar, ohne dass dabei die Qualität einer Gesamtverkehrslösung verloren ginge, denn der S-Link-Tunnel ist KEIN zwingender Bestandteil dieses Gesamtkonzeptes!

Salzburg, 9/2024 – Gerd

PS: Zu einigen der hier angeschnittenen Themen sind noch Rechercheanfragen im Umlauf. Sollten sich daraus neue oder vertiefende Erkenntnisse ergeben, werden diese selbstverständlich in diesen Blog-Beitrag eingearbeitet.

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

Für den Fall, dass die hier verlinkten Informationen verändert oder gelöscht wurden, stehen sie auf Anfrage zum genannten Stand als Screenshot bzw. PDF zur Verfügung.

1) Es muss nicht Stuttgart 21 (vierfache Ist-Kosten), der Flughafen Berlin (dreifach) oder das von der S-Link-Salzburg-Gesellschaft selbst gewählte Referenzprojekt „Regionalstadtbahn Karlsruhe“ (lt. SN Leserbrief vom 3.9. | 2,5-fach) sein, um darzustellen, dass Kostenprognosen in der Baubranche unsicher sein können. Bei einem Gesamtvolumen von 2,2 Milliarden Euro für die Variante 2 des S-Link durch Salzburg wären aber auch gerade einmal 20 % Mehrkosten eine nennenswerte Summe – nämlich 440 Millionen Euro.

2) Die S-Link-Gesellschaft muss als Auftraggeberin die Entwicklung des Baupreisindex im Auge behalten – speziell jenen für Tiefbau (= Straße und Tunnel). Im Gegensatz zum Baukostenindex, der die Auftragnehmer*innen betrifft, weist jedoch der Baupreisindex selbst in den letzten beiden Jahren nur eine moderate Steigerungsrate auf. So liegt die Indexsteigerung für Tiefbau zwischen Jan. 2021 (Index 2020 von 100,9) und Jan. 2024 (104,2) bei etwas mehr als 3 Indexpunkten, also rund 1 % pro Jahr. In der Kostenschätzung des S-Link wurden jedoch 2,5 % pro Jahr Inflationsbereinigung berücksichtigt. Das nenne ich „auf der sicheren Seite“.

Siehe: https://www.statistik.at/statistiken/industrie-bau-handel-und-dienstleistungen/konjunktur/baupreisindex

3) In den Endpreis wurden zudem noch zwischen 5 und 15 % für unvorhergesehene Kosten und zwischen 24 und 30 % für Reserven eingeplant. Damit sind auch laut „Verkehrsexperten Alexander Graf aus Karlsruhe“ in einem SN Interview vom 31.8.2024 die (rund 200) Planer*innen des Projektes auf der „sicheren Seite“. Berücksichtigt man zudem, dass vor 3 Jahren die Kosten für die Strecke Salzburg-Hallein noch mit 880 Millionen geschätzt wurden, sollte die Steigerung auf das 2,5-Fache bis heute tatsächlich genügend Budget-Puffer für das Gesamtprojekt bereitstellen.

4) Aktuelle Hochrechnungen zur Erweiterung der S-Bahn | SVV | Stand 11.9.2024 | https://mobilitaetsloesung.at/infothek/

Einfach zum Nachrechnen:

  • Baustart ca. 2025 | Bauende ca. 2040
  • Gesamtvolumen = Summe aller Ausgaben bis ins Jahr 2040: 2,2 Mrd. Euro (voll valorisiert)
    Das bedeutet: So wie es im PR-Text der Projektgesellschaft steht, wird die Summe aller Kosten, wenn wir sie Jahr für Jahr in ihrer tatsächlichen Höhe in eine Excel-Datei schreiben würden, diesen Betrag nicht überschreiten.
  • In diesen 2,2 Mrd. Euro sind bis zu 15 % an vergessenen Kostenblöcken berücksichtigt und auch bis zu 30 % Extra-Luft für „Unwägbares“ einberechnet. Insgesamt würden (linear verteilt) damit Rechnungssummen in Höhe von 137,5 Mio. Euro pro Jahr erlaubt sein.
  • Die Inflation wurde in dieser Kostenplanung schon mit jährlich 2,5 % berücksichtigt (= valorisiert). Das ergibt einen auf das Projekt bezogenen (rechnerischen) Baupreisindex 2040 von 148,45 (Basis 2024). Das heißt, dass die 137,5 Mio. Euro zum heutigen Stand im Jahr 2040 nur mehr 92 Mio. Euro wert wären. Oder: Würde man alle Leistungen heute und zu heutigen Preisen bestellen, jedoch erst bei Ihrer Erbringung und inflationsbereinigt bezahlen, dürfte ein Wert von 1,8 Mrd. Euro nicht überschritten werden.
  • Berücksichtigt sind dabei unter anderem alle Investitionskosten inklusive Bau, technische Ausrüstung, Planung und Projektbegleitung u.v.m.

5) Beispielsweise wurden im Rahmenvertrag des Landes/der Stadt mit dem Bund über die Finanzierung des Projektes aus dem Jahr 2020 die Planungskosten mit rund 20 Mio. Euro angenommen. An die Projektgesellschaft wurden jedoch bis Ende 2023 allein vom Land rund 36 Mio. Euro überwiesen. Diese Zahl entstammt den veröffentlichten Landes-Finanzierungshaushalten betreffend die Jahre 2021-23 plus eine Schätzung anhand des Landes-Beteiligungsberichtes für 2020. Weitere Zahlungen z. B. über den Salzburger Verkehrsverbund bzw. die Stadt Salzburg oder den Bund sind darin noch nicht enthalten. Sie dürften bis Anfang 2024 jedeoch das Finanzierungsvolumen der Projektplanung weit über 40 Mio. Euro gedrückt und damit die IST-Kosten zur Vorschau mehr als verdoppelt haben. Ich vermute sogar, dass die aufwendigen Planungsarbeiten 2024 inklusive Wahlwerbung für die bevorstehende Abstimmung die Finanzierungskosten der Projektgesellschaft gegenüber der Planung aus dem Rahmenvertrag verdreifachen werden.

6) „Bekannt Unbekannte“: Es fällt schwer, z. B. eine Untertunnelung der Königsee-Ache oder Mehrkosten zur Konkretisierung noch immer bestehende Unklarheiten in der Trassenplanung einigermaßen plausibel zu beziffern. Da zudem die Planungen dieses Projektteiles trotz hoher Priorität und mehreren Jahren Laufzeit noch länger nicht abgeschlossen sein werden, wächst auch das Potenzial an Mehrkosten und Unwägbarkeiten. Ich bitte Sie aber, sich selbst ein Bild darüber zu machen, wo die Projektgesellschaft heute noch Antworten schuldig ist: https://www.s-link.at/wp-content/uploads/2024/04/Uebersichtslageplan-Auswahlkorridor-TRASSENEMPFEHLUNG.pdf

Aus gegebenem Anlass sei hier festgehalten, dass die Kostensteigerung durch einen verpflichtenden Einsatz ausschließlich CO2-befreiten Zements (Klimafahrplan des Bundesministeriums) bereits eingepreist sein muss. Dieses Argument für eine Kostensteigerung fällt also flach!

7) Da es bei der Umsetzung der Variante 2 (Tunnel bis Salzburg Herrnau) zu einer (de facto) Totalsperre der Alpenstraße für den fließenden Verkehr kommen wird, wird bald die Verlängerung des Tunnels bis zur Stadtgrenze aufs Tapet kommen. Totalsperre deshalb, weil durch den einspurigen Straßenverkehr für verbliebene Öffis, den Individualverkehr, den Einsatzverkehr und den Lieferverkehr bei erschwerten Abbiegebedingungen zu Staus kommen wird. Warum ich das vermute? Denken Sie einfach die Visualisierungen Alpenstraße inkl. oberirdischer S-Link-Trasse seitens der Projektgesellschaft und einige Bestimmungen des Eisenbahngesetzes selbst zu Ende – voilaX)!

    X) verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

    Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

    010 Was kostet eine Verkehrslösung » | Was, wenn die 2,2 Mrd. Euro für den S-Link nur 20 % der Gesamtkosten wären?

    019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

    022 Zu Ende gedacht » | Bei Architektur-Renderings werden oft Fakes vermutet. Was aber, wenn alles genauso gemeint ist?

    030 Finanzierungsfragen » | Zurzeit deutet alles darauf hin, dass das Land Salzburg beim S-Link „all in“ gehen muss, um ihn zu finanziere.

    Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben.

    Tipp!

    Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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