S-Link EXTRA | G | Grundlinien im Projekt
Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 15 | 19.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.
Bahn ist nicht gleich Bahn
Jedem Ziel sein Tool
Ich hatte mir geschworen, im Rahmen meines Blogs zum S-Link nicht polemisch zu werden. Aber jetzt gehen mit mir doch die Pferde durch, und sie lassen sich nicht mehr einfangen. Als ich nämlich gelesen hatte, dass die hiesige Landesregierung höchstselbst die „Salzburger Mobilitätslösung1)“ aus der Taufe gehoben hat, haben sich mir die Mundwinkel bis weit hinter die Ohren zurückgezogen. Jene Landesregierung, die zwischen Salzburg und Schwechat auf Kurzstreckenflüge setzt, findet es also angemessen, den Salzburger*innen eine Eisenbahnlinie bis vor die Kellertür zu bauen. Na ja, irgendwie passt es ja auch ins Bild: Lieber zwei Ligen größer planen als nötig, um bloß nicht bieder und knausrig rüberzukommen. Praktisch, kostenbewusst und lösungsorientiert zu handeln, ist etwas für Weicheier. Warum sich auf smart reduzieren, solange „Jedermann“, Salzburgs steinreicher Festspielpatron, die Regie führt?
Jetzt aber Schluss mit dem Zynismus und zurück zu einer konstruktiven Aufarbeitung der Bahnpläne in und rund um die Stadt Salzburg. Auch mir ist der weitere Ausbau des Bahnangebotes im Großraum ein ehrliches Anliegen. Gerade bei regionalen und überregionalen Verbindungen braucht es mehr und bessere Angebote, um den Verkehr von der Straße auf die Bahn zu verlagern. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch der ÖBB-Masterplan 20402) oder die Pläne der Salzburger Landesregierung zu betrachten, die unter anderem den Osten des Flachgaus (wieder) per Schiene erschließen möchten3). Berücksichtigt man dabei noch die anstehende Harmonisierung der S-Bahn- und Fernverkehrsinfrastruktur rund um Salzburg4), ist das Aufgabenheft der Verkehrspolitik ohnehin schon prall gefüllt – mutmaßlich praller, als die Politik es planerisch und finanziell stemmen kann. Jetzt noch ein teures und aus heutiger Sicht wirkungsarmes Imageprojekt wie den S-Link vorzuschieben, wirkt daher in meinen Augen (noch immer!) kontraproduktiv.
Vielleicht ist es aber auch nur Pragmatismus, dass die Bahn aktuell für alles Gute in dieser Welt verantwortlich gemacht wird, ohne überall die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen zu können? Wenn ich mich bei meinen ökologisch-radlerisch affinen Kontakten umhöre, ist alles erlaubt, um dem Erzfeind „Auto“ eins auszuwischen. Dass dazu nur ein smartes Straßenkonzept inklusive Innenstadt-Beruhigung nötig wäre, für das man keine 2,2 Milliarden Euro lockermachen müsste, verhallt dabei ungehört. Auch die Idee, die Autos statt der Öffis unter die Erde zu verbannen und beträchtliche Teile des motorisierten Individualverkehrs (MIV) durch einen individualisierten öffentlichen Nahverkehr (iÖPNV)5) zu ersetzen, kommt nicht mehr an. Jetzt steht das Duell Eisenbahn gegen Auto quer durch und unter Salzburg auf der Tagesordnung – koste es, was es wolle.
Ganz ehrlich, mir wäre es herzlich egal, wenn zu jedem Preis durch alle noch offenen Lücken in Stadt und Land Salzburg eine Eisenbahn gequetscht würde, wäre Geld tatsächlich kein Thema und all die versprochenen Wirkungen plausibel hergeleitetX). Jedoch stehe ich aktuell auf dem Standpunkt, dass die Zukunft des urbanen Verkehrs flexibler, feinteiliger, dynamischer und vor allem bedarfsorientierter zu gestalten wäre, als durch eine starr verankerte, unproduktive und das System vereinnahmende Eisenbahnlinie. Und ich bin der Meinung, dass wir in den Städten (endlich) mit neuen Technologien und Mobilitätsansätzen planen dürfenX) statt lediglich mit Konzepten einer glorreichen Vergangenheit. Ich plädiere daher dafür, das gesamte Eisenbahn-Budget in (über-)regionale Hochleistungsverbindungen zu investieren und für die urbanen Bedarfe, sofern diese noch nicht historisch per Bahn erschlossen sind, ein innovativeres und wirkungsvolleres Verkehrskonzept zu entwerfen, als alles auf eine Innenstadt-Eisenbahn zu setzen.
Ganz ehrlich, mir wäre es herzlich egal, wenn zu jedem Preis durch alle noch offenen Lücken in Stadt und Land Salzburg eine Eisenbahn gequetscht würde, wäre Geld tatsächlich kein Thema und all die versprochenen Wirkungen plausibel hergeleitetX). Jedoch stehe ich aktuell auf dem Standpunkt, dass die Zukunft des urbanen Verkehrs flexibler, feinteiliger, dynamischer und vor allem bedarfsorientierter zu gestalten wäre, als durch eine starr verankerte, unproduktive und das System vereinnahmende Eisenbahnlinie. Und ich bin der Meinung, dass wir in den Städten (endlich) mit neuen Technologien und Mobilitätsansätzen planen dürfenX) statt lediglich mit Konzepten einer glorreichen Vergangenheit. Ich plädiere daher dafür, das gesamte Eisenbahn-Budget in (über-)regionale Hochleistungsverbindungen zu investieren und für die urbanen Bedarfe, sofern diese noch nicht historisch per Bahn erschlossen sind, ein innovativeres und wirkungsvolleres Verkehrskonzept zu entwerfen, als alles auf eine Innenstadt-Eisenbahn zu setzen.
Salzburg, 9/2024 – Gerd
Update: Die Salzburger Lokalbahn wird aktuell mit Bahnstrom mit einer Spannung von 1.000 Volt Gleichstrom betrieben. Sie ist damit eine von nur wenigen verbliebenen Bahnen, die noch auf diese Technik setzen. Als Regionalbahnstandard hat sich längst der Betrieb mit 750 Volt Gleichstrom / 15 kV einphasigem Wechselstrom durchgesetzt. Das ist deshalb relevant, weil es sich dabei um die Ausstattung des gesamten genutzten Bahnnetzes und nicht nur der Zuggarnituren handelt. Damit besitzt die Lokalbahn und infolge der S-Link eine, vom Rest des Schienennetzes separierte, Infrastruktur – mit allen Nachteilen! Man hätte das im Rahmen der laufenden Lokalbahn-Sanierung zwar lösen können, wollte es aber nicht!
Denksportaufgabe | D11 Das 1000 Volt Dilemma » | Braucht es wirklich 2 technologisch voneinander getrennte Bahnsysteme im Großraum Salzburg?
1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text
Für den Fall, dass die hier verlinkten Informationen verändert oder gelöscht wurden, stehen sie auf Anfrage zum genannten Stand als Screenshot bzw. PDF zur Verfügung.
1) Siehe https://mobilitaetsloesung.at/
2) Siehe Bundesministerium u.a. für Verkehr | (ÖBB) Zielnetz 2040, Das Bahnnetz der Zukunft – Fachentwurf | Wien, 2024
3) Siehe „Ischlerbahn neu“: https://skglb.org/SKGLB-%7C-Die-S%C3%A4ulen-der-%22Neuen-Ischlerbahn%22
4) Es befinden sich neben der Ischlerbahn unter anderem noch Projekte wie der Anschluss des Flughafens an das Fernverkehrsnetz oder die Einleitung des Regionalbahn-Astes Nord in den Salzburger Hauptbahnhof (inklusive Anschluss an die bestehende S-Bahn-Infrastruktur in Richtung Süden und Westen) auf der „To-do-Liste“ der Salzburger Verkehrspolitik. Auch die Verlagerung des Güterverkehrs auf eine Westspange rund um und nicht durch Salzburg sollte längst auf der Verhandlungsagenda mit dem Bund und den ÖBB stehen. Auch wenn man diesbezüglich von den Verantwortlichen wenig hört, sind das jene Projekte, über die sich in Bezug auf das Pendelvolumen und die Verbindungsqualität mehr bewegen lässt als durch einen Eisenbahntunnel unter der Innenstadt.
5) Technologisch stehen wir tatsächlich an der Schwelle, den großen Vorteil des Autos im öffentlichen Verkehr kompensieren zu können: die individuelle Verfügbarkeit inklusive Streckenwahl und die Tür-zu-Tür-Nutzung. Dank der Digitalisierung lassen sich erste Systeme zur Individualisierung des Nahverkehrs weltweit bereits heute live verfolgen. Dazu gibt es jedoch separate Blogs.
X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge
Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:
014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt!
019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.
020 Es ist eine Eisenbahn » | Was man über Eisenbahnen generell und jene durch Salzburg im Speziellen wissen sollte.
024 Technologien der Zukunft » | Die Kunst ist, schon heute zu wissen, auf welche Innovationen wir in Zukunft setzen werden.
Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben.
Tipp!
Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.
Linkliste
Warum dieser Blog?
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Zur Neuen Mobilitätslösung »
Zur den Gegner*innen »
Business-Novelle: Von A nach C »
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