S-Link EXTRA | G | Grundlinien im Projekt

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 03 | 5.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Der S-Link ist keine Innovation

Also, was ist wirklich neu daran?

Als ich die Aussage, der S-Link wäre doch gar keine Innovation, das erste Mal fallen ließ, wurde mein Gegenüber sprachlos. Nur für einen Augenblick, dann aber folgte ein Schwall an Verwünschungen und Stehsätzen in einer Lautstärke, als gälte es, Jericho ein zweites Mal zum Einsturz zu bringen. Von einem Generationenprojekt war die Rede, von Zukunft, Nachhaltigkeit und sich in Nichts auflösenden Problemen durch ein Maßnahmenpaket, das Salzburg von Grund auf verändern würde. „Alles klar“, war dazu meine Antwort, „aber was ist daran innovativ?“ Damit war die Diskussion beendet, ich jedoch um keinen Deut schlauer als ein paar Minuten zuvor.

Dabei hatte ich noch gar nicht das Zitat des österreichischen Wirtschaftsweisen Joseph Schumpeter1) ausgepackt: „Innovation ist die erfolgreiche Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung, nicht allein ihre Erfindung.2)“ Aufmerksame Leser*innen werden gleich bemerkt haben, dass Innovation nur etwas Neues sein kann, das sich erfolgreich durchsetzt – oder meinetwegen durchsetzen wird. Was aber ist an einem Loch im Boden, durch das Gleise gelegt und eine Eisenbahn geschickt wird, neu? Das war sogar in den 1970ern, als das erste Mal über den S-Link diskutiert wurde, technologisch schon ein 100 Jahre alter Hut. Klar standen damals weniger technische und planerische Alternativen bereit, wie sie es heute zuhauf tun. Aber innovativ war es nicht, und es wird es mit jedem Jahr, in dem die Menschheit Fortschritte macht, weniger.

Was also bringen die Salzburger Landesregierung und ihre Projektteams dazu, eine hundsordinäre Eisenbahn durch die Stadt als Innovation zu verkleiden?X) Außer sich mit aller Gewalt eines Modewortes zu bedienen, das auf korrektem Wege nicht zur Verfügung stehen würde. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht! Aber aufmerksam geworden, dass es sich hier um einen Marketing-Coup handeln könnte, stoße ich jetzt in etlichen Beiträgen auf „mobilitaetsloesung.at3)“ und „s-link.at4)“ auf Spuren von „Claim-Dropping5)“, um besonders knallige Marketing-Begriffe auch für das Thema S-Link zu erschließen. Oder auf strategische Manöver, die tatsächliche Innovation aus der Diskussion um den S-Link fernhalten sollen.X) Sie glauben mir nicht? Na dann:

Wichtige zitierte Studien bzw. daraus veröffentlichte Details zeichnen vorwiegend ein Bild eines konservierten Salzburgs von heute, das sich unverändert auch in Zukunft so präsentieren wird. Es sind im weitesten Sinne „Hochrechnungen“, in denen das Ist in die Zukunft gebeamt wird, ohne dass übermäßig die sich unweigerlich verändernden Rahmenbedingungen eingeflochten werden.6) Manchmal entsteht sogar der Eindruck, dass Expertisen derart gebrieft wurden, um Transformatives außen vor zu halten. Zum Beispiel, dass auch in Zukunft die Hauptverkehrsachse in Nord-Süd-Richtung durch die Innenstadt führen muss.X) So, als müsste wohl bis in die Ewigkeit jedes Öffi zwischen hier und Timbuktu über die bzw. unter der Staatsbrücke durchgeführt werden. Dass das jedoch nicht in Stein gemeißelt ist und es künftig die nötigen technischen, planerischen und logistischen Lösungen geben wird (nicht nur geben könnte!), Verkehr zu verlagern, findet sich in kaum einer der Studien wieder. Ebenso findet der technische Fortschritt, wie er aktuell schon in vielen Städten echte Innovation Realität werden lässt, in der laufenden Diskussion nicht stattX).

Ich empfehle daher allen, die noch immer den S-Link mit „Innovation“ in Verbindung bringen, auch andere Literatur als jene der Landesregierung zu studieren, um begreifen zu lernen, dass 2040 anders ticken wird als ein auf heutigem Stand eingefrorenes SalzburgX) mit einer Extra-Eisenbahn für Schienen-Romantiker*innen und Nostalgiefans:

  • Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft – Gerd Sendlhofer, 2024
  • Zweite Meinung | Die Welt von morgen als Basis einer visionsorientierten (Business-) Planung – Gerd Sendlhofer, 2024
  • Raum | Räume transformieren, Zukunft gestalten – The Future:Project AG – diverse Autor*innen, 2024
  • Österreichs Mobilität in 100 Jahren | Studie der Technischen Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften – diverse Autor*innen, 2023
  • Weitere Beiträge, die darlegen, dass das Salzburg von 2040 sich gegenüber jenem von heute wesentlich verändert haben wird. Nicht wegen der aktuellen Politik, sondern trotz ihr. Gehen Sie ruhig davon aus, dass sich die Gesellschaft mit ihren Tools in Richtungen entwickeln wird, die sich heute (komischerweise) bei nur wenigen Politiker*innen auf dem Schirm befinden.X)
Abspann

Ironisch: Im Zuge der Diskussionen in der SOKO Zukunft7) ließen sich auch bissige Wortmeldungen nicht vermeiden, die sich auf das Innovationsverständnis der Landesregierung im Rahmen des S-Link-Projektes bezogen. So wurde u. a. angemerkt, dass die S-Link-Strecke nach Hallein 2040 in etwa so innovativ wäre, als würde die Landesregierung heute in Obergnigl eine neue Telefonzelle eröffnen. Technischer Stand von vorgestern halt …

Ernst gemeint: Gemessen an künftigen Innovationspotenzialen könnte auch die Messebahn weitaus eleganter und produktiver bespielt werden als durch eine Eisenbahn!X)

Total ernst gemeint: Verkehrspolitik 2024 ist längst nicht mehr Impulsgeberin für Stadt- und Raumplanungen. Im Gegenteil, heute arbeitet sie auf Zuruf aus dieser Ecke – nicht mehr und nicht weniger. Für Salzburg heißt das, dass mehr echte Innovationen im Lastenheft der Landesregierung sehen sollten und dafür kein S-Link.X)

Salzburg, 9/2024 – Gerd

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) Joseph Schumpeter | 1883 – 1950 | österreichischer Nationalökonom und Politiker

2) „Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft – mit S-Link Salzburg“ | Business-Novelle | Autor: Gerd Sendlhofer im Eigenverlag | Salzburg, 02/2024 – www.business-novelle.eu

3) Bitte checken Sie meine Aussage zum „Marketing-Coup“ selbst: https://mobilitaetsloesung.at/

4) Bitte checken Sie meine Aussage zum „Marketing-Coup“ selbst: https://www.s-link.at/

5) „Claim Dropping“ ist ein von mir erfundenes Schlagwort in Anlehnung an den Begriff „Name Dropping“, bei dem durch das Fallenlassen von Namen bekannter Persönlichkeiten ein Naheverhältnis zu diesen suggeriert werden soll. „Claim Dropping“ bedeutet in diesem Zusammenhang, durch das Verwenden von bekannten Begriffen glauben zu machen, dass deren positive Inhalte auch auf das gegenständliche Thema übertragen werden könnten. So wie „Innovation“ auf den „S-Link“, obwohl beide Begriffe nichts miteinander zu tun haben.

6) In diesem Fall werden oft eine Bevölkerungsprognose, eine PKW-Bestandsprognose oder ZIS + P Studien zur Entwicklung unveränderter Verkehrsachsen durch Salzburg zitiert. Dabei handelt es sich entweder um klassische Hochrechnungen, die tiefgreifende Veränderungen unser aller Lebensrealitäten nur oberflächlich beschreiben oder um Studien mit anderen Zielsetzungen.

7) SOKO Zukunft = offenes Dialogformat für Zukunftsthemen: www.soko-zukunft.eu

X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

005 Meinungsmache » | Es gibt viele Wortmeldungen zum S-Link, aber nicht alle davon sind sachlich begründet.

014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt!

016 Studie vs. Studie » | Es sind einige Studien zum S-Link im Umlauf. Was davon können sie glauben und wo ist Skepsis geboten

019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

020 Es ist eine Eisenbahn » | Was man über Eisenbahnen generell und jene durch Salzburg im Speziellen wissen sollte.

024 Technologien der Zukunft » | Die Kunst ist, schon heute zu wissen, auf welche Innovationen wir in Zukunft setzen werden.

Die andere Messebahn: in Arbeit

Tipp!

Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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