S-Link EXTRA | P | Politik und Bürger*innen-Beteiligung
Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 25 | 30.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.
Politik im Dilemma
Zurück zur Sachpolitik
Ich gebe zu, es ist nicht ganz fair von uns Skeptiker*innen des S-Link, die verantwortliche Politik derart streng in die Mangel zu nehmen, wie es gerade geschieht. Wäre nicht Feuer am Dach, einen „Point of no Return“ in Form eines Baustarts verhindern zu müssen, wäre der Austausch sachorientierter und der Umgangston freundlicher. Dabei wissen wir sehr wohl, dass einige der involvierten Politiker*innen in kniffligen Zwickmühlen stecken, denen am leichtesten durch Vorurteile und Beharrlichkeit zu entkommen ist. Ich meine damit, uns Gegner*innen per se als Querulant*innen zu diskreditierenX) und das Projekt stur und kritikresistent durchzudrücken. Zu beiden Strategien gehört jedoch, daran zu glauben, dass der S-Link ein gutes Projekt und dessen Umsetzung eine Wohltat wäre. Und damit stecken sie schon im ersten Dilemma.
Ich weiß nicht, wer Mitte der 2010er-Jahre den Verantwortlichen in Stadt und Land Salzburg noch einreden konnte, eine Eisenbahn durch die Innenstadt wäre die ultimative Lösung aller Verkehrsprobleme. Sie oder er hat es damit jedoch geschafft, schon frühzeitig innovativere und modernere Lösungsansätze zur Beruhigung der Salzburger Verkehrssituation auszusortieren. Vielleicht hat die Salzburg AG respektive die Salzburger Lokalbahngesellschaft ihre letzte Chance gewittert, ihr Geschäftsmodell noch einmal zu erweitern. Vielleicht wollten sich Bauunternehmen nur einen langfristigen lukrativen Auftrag sichern. Oder irgendjemand anderes hat sich Vorteile davon versprochen, dieses Projekt „alternativlos“ durchzuziehen. Egal – es ist legitim, wenn Unternehmen sich langfristig Aufträge sichern oder Lobbyist*innen für ihre Branche die Claims für künftige Geschäfte abstecken.
Fakt ist jedoch, dass damals keine Notwendigkeit bestand, die Range möglicher Projekte auf ein einziges einzuschränken, ohne vorher in alle Richtungen sondiert zu haben. Mehr noch: Seit dieser Zeit wurde auch mächtig in die Rechtfertigung des S-Links investiert und jede Menge Gutachten eingeholt. Gutachten zu einem „One-Trick-Project“1), das nichts anderes zu leisten imstande sein wird, als möglichst große Menschenmassen in die Innenstadt zu pumpen. Aktuell liegen Gutachten im Rahmen der UVP2) oder von renommierten Planungsinstituten auf dem Tisch, die sich nur damit beschäftigen, ob das Projekt in der beschriebenen Form umsetzungsfähig ist. Es stand dabei scheinbar nie im Vordergrund, ob andere Lösungsansätze auch oder sogar besser zum Ziel führen würden, als es dem S-Link unterstellt wird. Heute, wo zunehmend fundierte Kritik am Projekt laut wird, fehlt es den Polit-Verantwortlichen daher an sachlichen Argumenten und Wissen um möglicherweise relevante Zukunftsbranchen. Es verwundert daher nicht, dass die betroffene Politik gerade die Flucht nach vorne antritt.
Jetzt aber ist die Liste möglicher sinnvoller Alternativen zum S-Link ein gehöriges Stück länger geworden, als es die Liste der Gutachten im Sinne des Projektes ist. Warum also hält die Politik trotzdem daran fest? Mehr noch: Warum wechseln politische Parteien gerade vom Lager der Unentschlossenen in jenes der Pro-Seite? Und das, obwohl erdrückende Gegenargumente gegen den Bau des Tunnels auf dem Tisch liegen. Immerhin gehen sie damit das Risiko ein, sich selbst im Falle von Fehlentwicklungen jeglicher Art dem Vorwurf des Zockens und der Irreführung auszusetzen. Vielleicht deshalb, weil auf der Pro-Seite das unumschränkte Wohlwollen der Salzburger Leitmedien wartet. Oder aber deshalb, weil auf dem politischen Pokertisch immer mehr Karten liegen als nur jene für ein einziges Vorhaben. Dass politische Duldung und abgesagte Blockaden über Parteigrenzen hinweg die wahren Trümpfe im Spiel um die Zukunft des Landes sein können, ist ja ein offenes Geheimnis.
Die Frage, inwieweit ein derartiger Abtausch auch Teil der politischen Hintergrundarbeit zum S-Link sein kann, eröffnet jedoch ein regelrechtes Universum an wilden Spekulationen und möglichen Verschwörungstheorien. Ich rate daher dringend, dieses Spielfeld im Sinne eines fairen und sachorientierten Austausches zwischen Politik und Bürger*innen nicht zu betreten. Auch wenn böse Gerüchte im Umlauf sind, die sich auf jene Dilemmata beziehen, in denen einige Politiker*innen aktuell vielleicht stecken mögen. Mir sind keine Beweise für jene Unterstellungen bekannt, die gerade durch Social-Media-Blasen bzw. die Stammtisch-Szene Salzburgs geistern.
Es ist demnach egal, ob Spitzenpolitiker*innen in den Aufsichtsräten von Salzburger Unternehmen tatsächlich gegen die Interessen der Bürger*innen agieren müssen. Oder ob der politische Widerstand gegen den S-Link durch Zugeständnisse an anderer Stelle gelockert werden konnte. Dass ganz nach dem Motto „Wenn Du mir in der Stadt, dann ich Dir im Lande“ auf Parteiebene Zugeständnisse ausgetauscht werden, ist eher politischer Alltag denn ein Skandal. Auch dann, wenn bei einigen dieser Deals ein unguter Beigeschmack entsteht. Eine schale Note, die meist dadurch vermieden wird, dass hinter und nicht vor den Kulissen gefeilscht wird. Und es ist auch keine Todsünde, sollten sich politische Parteien gegenüber ihrer Klientel derart in Zugzwang gebracht haben, dass eine Änderung der Parteilinie nicht mehr in Frage kommt.
Klar: All diese Dilemmata, sofern sie überhaupt schlagend werden, nagen gehörig am Gewissen politischer Parteien und deren Personal. Sie lassen sich aber rasch und rückstandsfrei auflösen, wenn man
- offensiv darlegt, dass keine Deals mit „Geschmäckle“ im Umlauf sind, oder
- offensiv erklärt, warum man in diesen Zwangssituationen so entschieden hat, wie man eben entschieden hat.
Das wünsche ich mir vonseiten der Politik ebenso, wie ich mir wünsche, dass die Erzählungen rund um das Projekt sich mehr auf Fakten denn auf „G’schichteln“ berufen.
Salzburg, 9/2024 – Gerd
1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text
1) Anlehnung an den Paul Simon-Hit „One trick Pony“, in dem ein Pferd genau ein Kunststück zu vollführen imstand ist. Nicht mehr und nicht weniger.
2) Umweltverträglichkeitsprüfung
X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge
Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:
007 We are not NIMBYs » | Nicht alle Kritiker*innen des S-Link sind notorische Nein-Sager*innen.
Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben.
Tipp!
Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.
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