S-Link EXTRA | W | Wirtschaft und Organisation

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 06 | 4.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Produktivität first

Business Baselines

Was an dieser Stelle wie eine Huldigung erlösgeilen Wirtschaftens klingt, meint eigentlich das Gegenteil. Höchstmögliche Produktivität aller eingesetzten Leistungsfaktoren ist nämlich nicht verwerflich, sondern schlau. Oder „smart“, wie der koordinierte und optimierte Einsatz aller verfügbaren Ressourcen neudeutsch genannt wird. Und da sind wir bei der Ausgestaltung des aktuellen Salzburger Verkehrssystems noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Der S-Link spielt – angesichts des noch ungenutzten Potenzials bestehender Angebote – jedoch keine Rolle in meinen Überlegungen. Ein adaptiertes Ist-Angebot, kombiniert mit neuen Technologien und zukunftsorientierten Mobilitätskonzepten, braucht nicht mehr vom GleichenX). Es braucht mehr „Smartness“ und ein betriebswirtschaftliches Gesamtverständnis.

Ich bin daher dagegen, über den ganzen Tag gesehen halb leere Öffis mit weiteren halb leeren Öffis wirtschaftlich zu kannibalisieren. Ich bezeichne das stete Aufdoppeln bestehender Infrastruktur und Öffi-Linien in meinem aktuellen Buch1) als „additive Verkehrspolitik“ und in einem weiteren Beitrag in diesem Blog als „redundant“X). Und das – angesichts der herrschenden Situation – durchaus zu Recht. Klar, rückblickend hatte die Verkehrsplanung bisher wenig Möglichkeiten, ihren Versorgungsauftrag mit Mobilität anders zu erfüllen als mit immer neuen, parallelen Angeboten. Aktuell aber steht ein riesiges Sortiment innovativer Tools und Denkansätze vor dem Roll-out, mit dem der bestehenden Infrastruktur noch jede Menge Kapazitäten abzuringen sein werden. Allein beim Bus-Angebot haben Expert*innen aus der Schweiz2) ein konkretes Set an Adaptierungsmaßnahmen erarbeitet, das eine zusätzliche Eisenbahn auf paralleler Strecke als puren Luxus erscheinen lässt.

Für ambitionierte Verkehrsplaner*innen der Zukunft wird dieses Repertoire an neuartigen Gestaltungsmöglichkeiten disruptive Ausmaße annehmen. Zumindest bin ich dieser Meinung, wenn ich mir die Potenziale mobilitätslenkender Stadtplanung, individualisierter Öffis im Nah- und im innerstädtischen Transitverkehr oder künstlicher Intelligenz im (teil-)autonomen Verkehr bzw. bei der Logistiksteuerung – auch von Gütern und Tourismus-Massen – vorstelleX). Wer jetzt den Projekt-Horizont des S-Link vom Salzburger Hauptbahnhof nach Hallein in Kopf hat, wird zudem feststellen, dass derartige Technologien schon lange im Einsatz sein werden, bevor der erste Zug in Hallein Station machen wird3). Daher fürchte ich auch, dass durch die langfristige Bindung öffentlicher Budgetmittel und die Trassenplanung des S-Link einige dieser Lösungsansätze verunmöglicht werden.

Ich plädiere daher, sich den lokalen Einsatz neuartiger Technologien und Ansätze so lange offen zu halten, bis sie plan- bzw. verfügbar sind. Ich schätze, das wird – ein entsprechendes Engagement der Stadt- und Verkehrsplanung vorausgesetzt – in drei bis fünf Jahren mit ersten digitalen und logistischen Lösungen beginnen. Und es wird meiner Einschätzung nach im Endausbau ein Vielfaches jener Effekte bringen, die dem S-Link erst für seine Fertigstellung unterstellt werdenX). Bis dahin wäre reichlich Zeit, das bestehende Öffi- und Straßennetz produktiver zu gestalten und damit rasch erste Erfolge gegen den Stau gleich zu feiern.

Salzburg, 9/2024 – Gerd

PS: Mit diesem Beitrag soll nicht die betriebswirtschaftliche Kompetenz der Kolleg*innen in den Fachabteilungen der öffentlichen Verwaltung bzw. der beteiligten Unternehmen infrage gestellt werden. Im Gegenteil: Freut euch auf neue Tools für ein verbessertes Linien-Management und gegen Leerfahrten von Öffis.

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) „Von A nach C | Neue Ausblicke auf die Mobilität der Zukunft – mit S-Link Salzburg“ | Business Novelle | Autor Gerd Sendlhofer im Eigenverlag | Salzburg, 02/2024 | www.business-novelle.eu

2) Studie zur ÖV-Grundkonzeption in der Stadtregion Salzburg | https://www.stadt-salzburg.at/fileadmin/user_upload/22402/salzburg_umsetzungsplanung_20220711.cleaned.pdf | Stand 1.8.2024

3) Zur geplanten Fertigstellung des S-Link-Abschnitts vom Salzburger Hauptbahnhof nach Hallein sind unterschiedliche Ziel-Daten im Umlauf. Aktuell pendeln die Angaben zwischen 2030, 2035 und 2040. Ich gehe davon aus, dass mit den noch erwartbar langen Behördenverfahren, dem Gegenwind aus Bürger*innen-Initiativen und der bautechnischen Realität, die das Marketing der Planungsgesellschaft unweigerlich einholen wird, 2040 ein realistisches Zieldatum sein wird. Das ist auch jenes Datum, das von der Projektgesellschaft in den Kostenschätzungen für dieses Teilprojekt genannt wurde.

X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

003 Der S-Link ist keine Innovation » | Ein Eisenbahntunnel mag vieles sein, innovativ ist er jedoch längst nicht mehr.

016 Studie vs. Studie » | Es sind einige Studien zum S-Link im Umlauf. Was davon können sie glauben und wo ist Skepsis geboten

017 Was heißt produktiv? » | Was heißt es wirklich, Öffis- und Öffi-Infrastruktur produktiv zu bespielen?

019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

Tipp!

Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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