S-Link EXTRA | F | Faktencheck

Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 22 | 24.9.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Zu Ende gedacht

Gezeichnete Versprechen

Achtung: Auf eine Darstellung des im Folgenden beschriebenen Bildes der S-Link-Presseabteilung verzichte ich aus urheberrechtlichen Gründen. Sollte der Link nicht mehr funktionieren bzw. eine andere Darstellung zeigen als jene, die am 24.9.2024 noch online war, kann ich Interessierten das Bild auf Anfrage per Mail gerne zusenden: https://www.s-link.at/wp-content/uploads/2024/04/ALPENSTRASSE_01.jpg

Wenn Architektur-Renderings – also visualisierte geplante Bauvorhaben – gezeigt werden, wird oft zur Vorsicht gemahnt. Sie seien zu beschönigend, ließen wichtige Details aus oder verschleierten unangenehme Folgen, so der Vorwurf. Notwendiges Marketing, agile Planung oder irrelevante Details sind dabei die gängigsten Gegenargumente. Was jedoch untergeht, ist, dass es auch für die Visualisierung von künftigen Zuständen Regeln gibt, die über reine Ethik hinausgehen – nämlich dann, wenn Dinge gezeigt werden, die dazu geeignet sind, die Entscheidung Dritter zu beeinflussen. Werden daher Zustände gezeigt, die gegen geltendes Recht verstoßen, Unwahres darstellen oder auf Folgen schließen lassen, die nicht gezeigt, jedoch relevant sind, kommt „arglistige Täuschung“ ins Spiel.

Jetzt ist die Auseinandersetzung um den S-Link tatsächlich in einem Wahlkampf gemündet – einer demokratischen Entscheidung, bei der Menschen darüber abstimmen sollen, wie es mit dem Projekt weitergeht. Wenn daher Wahlwerbung betrieben wird, haben die Bürgerinnen einen Anspruch darauf, dass die abgegebenen Leistungsversprechen erfüllt werden. Dabei ist visuellen Darstellungen – im Gegensatz zu vagen Wahlversprechen – gemein, dass sich die Einlösung dieser Versprechen gut messen lässt. Zudem lassen sich die Umfänge und Folgen dieser bildlichen Ankündigungen sehr gut beschreiben und damit auch bewerten. Dabei ist es so wie in der Wirtschaft: Wenn ein Produkt 10 cm lang und weiß mit roten Streifen dargestellt wird, muss es das letztendlich auch sein. Zeigt zum Beispiel eine Darstellung eines S-Link-Zuges im Einsatz keine separate Ab- und Einbiege-Spur auf der parallelen Straße vor bzw. nach einer Eisenbahnkreuzung, sollte dort später auch keine Kreuzung sein. Erstens, weil das Gesetz so eine Spur vorschreibt und sie daher schon in der Vorschau berücksichtigt sein sollte, wollte man ehrlich mit den Bürger*innen kommunizieren. Und zweitens, weil sich die Konsequenzen der fehlenden Spur auf die Entscheidung einzelner Wähler*innen auswirken könnten.

Klar wäre es jetzt einfach zu vermuten, dass einige der dargestellten Details in den S-Link-Renderings bewusst gefälscht sind, um besonders positiv auf die anstehende Wahlentscheidung zu wirken. Und bis zu einem gewissen Grad tue ich das (unfairerweise) auch. Dagegen gibt es jedoch die Unschuldsvermutung, und das ist gut so. Es könnte nämlich auch sein, dass all die gezeichneten Wohltaten und die weit über die bildliche und inhaltliche Perspektive hinaus suggerierten Wirkungen genau so gemeint sind. Dann wäre es fair, ebendiese Hinweise und verdeckten Versprechen auch offen zu benennen und den Wähler*innen als Entscheidungshilfe zur Verfügung zu stellen. Genau das möchte ich gemeinsam mit Ihnen anhand einiger DenksportaufgabenX) auf Unbehagen.at tun. Und zwar die jeweilige Darstellung selbst betreffend, aber auch neue, weiterreichende und durchaus plausible Schlussfolgerungen daraus. Ich nenne diese Methodik „Zu Ende denken“ und wende sie recht erfolgreich in meinen Sachbüchern an1).

Dafür braucht es einen breiten inhaltlichen Zugang zum Thema, unterschiedliche Blickwinkel und Hintergrundwissen, um sich in mögliche Zielhorizonte der beteiligten Parteien und Personen hineindenken zu können. Vor allem aber auch ein „Big Picture“, anhand dessen die Vorstellung anderer zu Zukunftsthemen auf ihre Plausibilität und Sinnhaftigkeit abgeklärt werden kannX). Dann lassen sich einige der Details im Rendering des S-Link in Salzburg Süd/Alpenstraße2) neu interpretieren.

Zum Beispiel wird die Alpenstraße laut Rendering nur noch einspurig befahrbar sein. Allein diese de facto Sperre der Alpenstraße (durch den Abbiege- und Querverkehr, Fußgängerinnen-Ampeln und haltende Öffis) zeigt, dass es den Verkehrsplaner*innen ernst ist, den motorisierten Individualverkehr mit allen Mitteln zu verhindern bzw. in andere Regionen zu verdrängen. Und das, obwohl alle planenden Personen wissen, dass Autos auch bei bestens ausgebautem Öffi-Netz in sehr hohem Maße weiter mitgedacht werden müssen. Was aber werden Personen und Familien, die auf das Auto angewiesen sind, ansässige Unternehmen, Einsatzorganisationen, die Versorgungsbranche oder Anbieter*innen oberirdischer Öffis dazu sagen, dass fließender Verkehr zwischen Anif und der Herrnau praktisch nicht mehr stattfinden soll? Klar: Im Rendering wird gezeigt, dass für das eine einzige Auto die Solo-Spur mehr als ausreichend ist. Sollte es jedoch tatsächlich gelingen, von den rund 25.000 Fahrten pro Tag auf der südlichen Alpenstraße 10 %, also 2.500, einzusparen und weitere 12.500 auf andere Nord-Süd-Strecken durch Salzburg zu verdrängen, müssten immer noch 10.000 Fahrten pro Tag einspurig gemanagt werden. Das ist angesichts des veröffentlichten Bildes ein sehr hehres Ziel und eine Horrornachricht für Morzg, Gneis und Nonntal.

Salzburg, 9/2024 – Gerd

PS: Den Masterthemen Unternehmensstandort, Wohnbau, Verkehrsinfrastruktur oder die Wirkung auf die Ausgestaltung der weiterführenden S-Link-Trasse durch die dargestellte Verkehrssituation widme ich mich in eigenen Blog-Beiträgen und Denksportaufgaben gesondert.

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

Für den Fall, dass die hier verlinkten Informationen verändert oder gelöscht wurden, stehen sie auf Anfrage zum genannten Stand als Screenshot bzw. PDF zur Verfügung.

1) Siehe „Business-Novelle“ = meine Sachbuchserie zu ausgewählten Zukunftsthemen (inkl. Mobilität): https://www.business-novelle.eu

2) Siehe: Rendering Alpenstraße ALT »

    X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

    Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

    014 Wie tickt 2040? » | Es sind die neuen Rahmenbedingungen unsers Lebens, die 2040 unsere Mobilitätsbedarfe prägen, nicht umgekehrt.

    019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

    020 Es ist eine Eisenbahn » | Was man über Eisenbahnen generell und jene durch Salzburg im Speziellen wissen sollte.

    Zum gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen zum S-Link und innovativer, visionärer Mobilitätskonzepte finden Sie in diesem Blog spezielle Denksportaufgaben: in Arbeit

      Tipp!

      Es geht um Ihre, nicht meine Meinung. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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