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Autor: Gerd Sendlhofer | S-Link Beitrag 30 | 9.10.2024
Dieser Blog-Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Für Ihren Informationsstand und persönliche Sicht der Dinge sind und bleiben Sie selbst verantwortlich.

Finanzierungsfragen

Woher kommt das Geld?

Kommt Ihnen das bekannt vor? Es steht eine demokratische Entscheidung ins Haus, bei der politische Parteien an vorderster Front um die Gunst der Wähler*innen buhlen. Und die Politik weiß nichts Besseres zu tun, als den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen: teure Wohltaten zu Preisen, die in die Budgets der öffentlichen Hand wieder einmal tiefe Kerben schlagen werden. Aber was macht’s? Letztendlich bezahlen die Bürger*innen die Rechnung ohnehin wieder selbst. Die Frage ist nur, aus welchen Töpfen – und damit auch, wer für das schon vorab knallhart kalkulierte Minus nachher öffentlich gegeißelt werden darf?

Dieses Szenario geht aktuell bei der Abstimmung zum S-Link in Salzburg gefühlt zum tausendsten Mal über die Bühne. Es werden enorme Kosten für sehr überschaubare Gegenwerte produziert, und es wird sich wohl erst nach der Befragung entscheiden, wem dafür die Kasse leergeräumt wird. Beim S-Link stehen diesbezüglich der Bund, das Land Salzburg und die Stadt zur Disposition. Der Bund übernimmt 50 % des S-Link-Baus, unabhängig von der endgültigen Höhe der Kosten. Die beiden regionalen Gebietskörperschaften werden sich nach geschlagener Wahl um die restliche Rechnung streiten – besser gesagt darum, wer sie nicht bezahlen muss.

Bitte lesen Sie auch die Fußnoten in den folgenden Informationen. Diese sind notwendig, um zu verstehen, wie sich die einzelnen Beträge zusammensetzen bzw. Sachverhalte darstellen.

Worum geht’s in den Zahlen?

Folgende Daten beziehen sich auf den Bau des S-Link in der Variante 21) plus Messebahn.

Für den Bau des S-Link in der Variante 2 wurden von der Projektgesellschaft 2,2 Mrd. Euro an voraussichtlichen Gesamtkosten errechnet (bis 2040 einschließlich aller Preissteigerungen und großzügiger PufferX)). Die Hälfte dieser Kosten plus die Hälfte aller Kostenüberschreitungen übernimmt der Bund.2) Damit bleiben im ersten Schritt 1,1 Milliarden Euro, die vom Land Salzburg und der Stadt anteilig übernommen werden müssen. Dazu kommen noch anteilig die Kosten der Messebahn, für die bis Ende 2023 maximal 55 Millionen Euro an Plankosten genannt wurden. Zu diesem Projekt wird der Bund ebenfalls 50 % beisteuern. Damit fehlen noch jene Mehrkosten, die vom Bund nicht bezuschusst werden.3)

Ich empfehle der Stadt Salzburg daher, die 1,13 Milliarden Euro Rest-Plankosten für die S-Link-Variante 2 plus Messebahn als Kostenobergrenze für die Bestimmung ihres Anteils heranzuziehen und sich an möglichen Überschreitungen nicht weiter zu beteiligen.

Was kommt noch dazu?

In der vorangegangenen Aufstellung nicht enthalten und doch zu budgetieren sind unter anderem die Kosten für die Stiegl-Bahn (ca. 45 Millionen Euro), die aktuelle Sanierung der Lokalbahn (= die Hälfte von rund 210 Millionen Euro4)), die Königseebahn, die Eisenbahnstrecke nach Wals und andere Wohltaten der neuen „Salzburger Mobilitätslösung“5). Dazu kommen noch weitere wichtige Projekte, die in noch unbekannter Höhe im Landesbudget Niederschlag finden sollten, wie z. B. die Ischlerbahn. Auch wird auf Landesseite die Anschaffung der neuen Zuggarnituren für die Lokalbahn in Höhe von rund 100 Millionen Euro ein Thema werden. Ebenso budgetrelevant für Stadt und/oder Land sind die rasch umzusetzenden Adaptierungen des öffentlichen Verkehrs (z. B. neue Buslinien, Busspuren, neue Haltestellen) oder die Verbesserung der Infrastruktur für den Rad- und Fußgänger*innen-Verkehr. Hier schlummert, je nach Ausführung, ein Kostenpotenzial von (supergrob geschätzten) 100 bis 200 Millionen Euro zusätzlich zum S-Link.

Ebenso fehlen …

Alle infrastrukturellen und digitalen Vorbereitungen zur schrittweisen Implementierung neuer Mobilitätstechnologien. Ein Konzept zur besseren Anbindung des Raumes Obertrum/Mattsee an die Landeshauptstadt. Die Kofinanzierung von (autonomen) Mikro-ÖPNV-Systemen in den Umland-Gemeinden. Und einige weitere Innovationen, die im Rahmen eines „Big Picture“ zum Salzburger Verkehrskonzept bereits jetzt eingeleitet werden sollten.X)

Damit kommen wir auf ein Investitionsprogramm für den Verkehr, das in voller Ausbaustufe weit über dem Wert der kolportierten 2,2 Milliarden Euro für den S-Link liegen wird. Ich persönlich halte, beginnend bei 5–8 Mrd. Euro allein für die Eisenbahn-Infrastruktur, Gesamtkosten für die Transformation des Salzburger Verkehrssystems in Höhe von 10–12 Mrd. Euro für möglich.X)

No-Gos in der Diskussion

Die Verantwortlichen in Stadt und Land Salzburg sollten nicht einmal daran denken, die S-Link-Kosten bei anderen wichtigen Themen einzusparen. Dazu zählen an vorderster Front die Schaffung von leistbarem Wohnraum, die Finanzierung von Kultur, Bildung sowie des Gesundheits-, Pflege- und Betreuungswesens inklusive der Zahlung fairer Löhne und der Sicherung fairer Arbeitsbedingungen. Hinzu kommt die Versorgung der Stadt bzw. der Gemeinden mit Strom, Wasser, Wärme usw., sowie der schnelle Ausbau des Breitbandes und anderer digitaler Infrastrukturen. Zudem haben innovative Konzepte für die Stadtteilentwicklung, den Tourismus oder die Sicherung der Mobilität in den Gebirgsgauen höchste Priorität. Diese Liste ließe sich noch deutlich verlängern, aber ich denke, Sie haben verstanden, dass ich in der langfristigen Budgetplanung eine komplexe, vernetzte und ressortübergreifende Angelegenheit sehe. Übrigens: All das hat auch Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten der Menschen und dient weitaus stärker dazu, die Verkehrssituation im Großraum Salzburg zu entschärfen, als der S-Link.

Unsicherheitsfaktor Bund

In Erwartung einer neuen Bundesregierung und dem Zwang, künftig pfleglich mit den Bundesfinanzen umzugehen, werden sicherlich auch bereits beschlossene Förderungen noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Angesichts der Tatsache, dass der S-Link nur eine sehr bescheidene Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen wirdX), stehen hier möglicherweise Neuverhandlungen oder gar eine Streichung bevor. Aus heutiger Sicht stehen daher rund 1,13 Milliarden Euro von Bundesseite zur Diskussion. Ob es mehr oder doch weniger wird, ist Verhandlungssache.

Salzburg, die Stadt der ordentlichen Kaufleute

Was aktuell seitens der Landesregierung und der Projektgesellschaft als knausrig dargestellt wird, spiegelt meiner Meinung nach eher das wider, was sich Bürger*innen von ihrer Vertretung eigentlich erwarten: nämlich mit den vorhandenen Ressourcen weise und sparsam umzugehen. Auch deshalb, um für andere Projekte oder im Notfall noch etwas in der Kasse zu haben. Aktuell hat die Stadt keine Schulden, jedoch Rücklagen in Höhe von ungefähr 300 Millionen Euro – Geld, das das Land, wenn es dürfte, schon fix für den S-Link verplant hätte. Wäre da nicht die Tatsache, dass die Stadt noch andere Herausforderungen wie einen Investitionsstau in der sonstigen Verkehrsinfrastruktur oder die Umsetzung leistbaren Wohnens auf der To-do-Liste hat. Falls daher trotz aller Bedenken der S-Link doch gebaut werden sollte, rate ich der Stadt, maximal 100 Millionen Euro6) über die kommenden 15 Jahre für den S-Link plus Messebahn zuzusichern. Gedeckelt – versteht sich!

Das Land Salzburg geht „all in“

Das Land Salzburg möchte, so wie es aktuell aussieht, das Projekt „S-Link“ um jeden Preis durchziehen – auch auf die Gefahr hin, dass damit für wichtigere Projekte innerhalb und abseits des Verkehrsthemas kein Geld mehr übrig bleibt. Klar, das verbessert die Verhandlungsposition mit dem Bund und der Stadt nicht wirklich. Es sollte jedoch allen bewusst sein, dass angesichts der extremen Kostenbelastungen, die künftig auf den Bund, die Stadt und das Land zukommen werden, jede Gebietskörperschaft selbst sehen muss, inwieweit sie sich beteiligen kann und möchte. Es ist daher zu erwarten, dass das Land Salzburg beim S-Link „all in“ gehen muss, um ihn zu realisieren. Konkret wären das rund 1 Milliarde Euro allein für den S-Link in der Variante 2 plus zusätzliche 300 Millionen Euro, sollte doch eine längere Tunnelführung bis zur Stadtgrenze notwendig werden. Das sind Gelder, die aus dem Landesbudget kommen müssen. Dazu kämen noch ein Viertel der Messebahn, die Hälfte der Stiegl-Bahn und die gesamte Umsetzung der restlichen „Salzburger Mobilitätslösung“. Und dann haben wir immer noch keine Ischlerbahn und keine neuen Technologien im Nahverkehr. Zusammengerechnet wird sich das Land Salzburg für relevante Verkehrs- und Begleitprojekte auf gleich mehrere Milliarden Euro einstellen müssen.

Es sei zudem festgehalten, dass das Land Salzburg (mit einem Jahresbudget von rund 4,5 Mrd. Euro) gezwungen ist, für die Finanzierung seiner Aufgaben Schulden aufzunehmen. Aktuell stehen ca. 2 Milliarden auf der Soll-Seite des Landes, was im heurigen Jahr zu Tilgungen von Finanzschulden in der Höhe von 178 Millionen Euro aus dem laufenden Budget führen wird.7) Für 2024 wird mit einer Neuverschuldung in Höhe von knapp 500 Millionen Euro gerechnet, 2025 werden es 475 Millionen sein, nachdem kurzzeitig 780 Extra-Millionen gedroht und zu hektischen Einspar-Ansagen geführt hatten. Und bis 2028 jährlich kommt noch einmal rund eine halbe Milliarde dazu.

Sollten da rund 4–5 Extra-Milliarden für mehr oder weniger wirksame Verkehrsprojekte nicht zum Nachdenken anregen?

Abspann

Leider habe ich auf meine Anfragen beim Land Salzburg zu den Plänen, wie es die Kosten für den S-Link zu finanzieren gedenkt, noch keine Antwort erhalten. Ich befürchte daher, dass diese Informationen erst nach der Abstimmung durchsickern werden. Sicher ist jedoch, dass dieses Projekt für die Landesregierung von Salzburg ein Tanz auf der budgetären Rasierklinge werden wird. Zudem besteht ein erhebliches Risiko, dass entweder das Projekt selbst oder ein anderweitiger Finanzierungsbedarf zulasten des Projektes aus dem Ruder laufen könnte.

Angesichts der Unsicherheiten bei der Finanzierung eines gesamtheitlichen Verkehrskonzeptes für den Großraum Salzburg empfehle ich, mit den produktivsten und zukunftsfittesten Teilen daraus zu beginnen. Und dazu braucht es aus meiner Sicht den S-Link einfach nicht!

Salzburg, 10/2024 – Gerd

1, 2, 3, ...) Quellen und Erläuterungen zum Text

1) Die Variante 2 umfasst die Verlängerung der Lokalbahn vom Hauptbahnhof bis nach Hallein, wobei der erste Streckenteil inklusive Querung der Salzach bis nach Herrnau unterirdisch geführt wird. Der Rest folgt über Salzburg Süd, Anif, Niederalm und Rif bis nach Hallein.

2) Trotz großzügiger Puffer in den offiziellen Planungsunterlagen ist eine Überschreitung der Kosten wahrscheinlich. Internationale Vergleichsprojekte wurden teils um das Mehrfache überschritten. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende der S-Link-Gesellschaft hat in einem Zeitungsinterview Anfang Oktober als intern erwartete Untergrenze des Projektes 2,6 Milliarden genannt.

3) Laut Rahmenvereinbarung mit dem Bundesministerium bzw. den für den Bau von Eisenbahnen gültigen Bestimmungen zählen neben dem Bau der Strecke und der Haltstellen (inkl. der Planung, dem Ersatzverkehr und P&R Infrastruktur) lediglich die Wiederherstellung des Originalzustandes (z. B. oberirdischer Flächen) zu den Projektkosten. Dinge wie beispielsweise die Gestaltung von Begegnungszonen, der erzwungene Bau neuer Trassen für den Individualverkehr (z. B. entlang der Imbergstraße), die Regelung des Ausweichverkehrs für PKW (durch Aigen, Morzg, Nonntal, Gneis oder Leopoldskron) oder die Umsetzung zusätzlicher Zubringer-Äste zum S-Link sind darin nicht enthalten.

4) Die zurzeit laufende Sanierung des Nordastes der Lokalbahn ist Bestandteil der Rahmenvereinbarung mit dem Bundesministerium und wird von diesem mit 50 % gestützt.

5) Die „Salzburger Mobilitätslösung“ verspricht neben dem S-Link, der Messebahn und der Sanierung des Nordastes der Lokalbahn noch weitere Projekte, die zurzeit weder kalkuliert sind, noch zum aktuellen Stand vom Bundesministerium kofinanziert werden. Ob dies angesichts der angespannten Budgetsituation auch auf Bundesebene jemals der Fall sein wird, steht in den Sternen. Vergessen wir nicht, dass sich die gewünschten Effekte dieser Projektteile so wie jener des S-Link für die Bevölkerung auch durch andere Verkehrslösungen, jedoch billiger erzielen lassen.

Siehe auch: https://mobilitaetsloesung.at/

6) Von den rund 1,75 Milliarden Euro für den innerstädtischen Trassenanteil (S-Link und Messebahn) verblieben 50 % bei Stadt und Land. Da seitens des Landes die besonders hohe Bedeutung des S-Link für die Umlandgemeinden hervorgehoben wird, sollten auch diese an der Finanzierung des Projektes beteiligt werden. Und wenn nicht, müsste eben das Land deren Anteil übernehmen. In Linz hat die Stadt ihren Anteil am geplanten Regionalstadtbahn-Projekt von rund 1 Milliarde Euro bei 50 Millionen gedeckelt.

7) Siehe Landesfinanzierungsplan: https://www.salzburg.gv.at/politik_/Documents/mittelfristige-finanzplanung_2025-2028.pdf

X) Siehe verwandte/weiterführende Blog-Beiträge

Passend bzw. vertiefend zu diesem Beitrag finden Sie in diesem Blog folgende Texte:

009 Was kostet ein Tunnel? » | Die Kosten für die Tunnelstrecke sind am Tisch. Aber, halten sie auch?

010 Was kostet eine Verkehrslösung? » | Was, wenn die 2,2 Mrd. Euro für den S-Link nur 20 % der Gesamtkosten wären?

019 An Alternativen reich » | Es braucht vor allem mehr Smartness als Alternative zum S-Link und kein anderes Mega-Bauprojekt.

021 Miese Klimabilanz » | Dass der S-Link beim Klimaschutz Wirkung zeigt, wissen wir – aber das Gesamtpaket passt eben nicht …

 

Denksportaufgabe | D09 Schulden 2029 » | Sollen alle, für die das Land künftig kein Geld mehr haben wird, froh darüber sein, dass sie stattdessen mit dem S-Link fahren können?

Denksportaufgabe | D10 Die Bundesmilliarde » | Wird sich jemals herumsprechen, dass der Finanzierungsanteil des Bundes Salzburg dazu zwingt, in gleicher Höhe einzusteigen?

    Tipp!

    Es geht um Ihre Meinung, nicht meine. Treten Sie daher bitte einen großen Schritt zurück und werfen Sie einen Blick auf das „große Ganze“. Auf ein plausibles, machbares Big Picture des Lebensraumes Salzburg im Jahr 2040. Stellen Sie sich dabei vor, wie wir als Gesellschaft am sichersten dort hinkommen. Ich gebe Ihnen in diesem Blog dazu ein paar Denkanstöße, nicht mehr und nicht weniger.

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